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Titan 09

Titan 09

Titel: Titan 09
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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Leib der Mutter bewegen sie sich und schlafen sie nicht allein durch den Instinkt. Wir sind darauf gedrillt, auf den Gedanken, daß ein beinahe lebensfähiger Embryo denken könnte, ziemlich eigenartig zu reagieren. Wir sind überrascht, geschockt und abgestoßen.
    Nichts Menschliches ist fremd. Aber ein Baby ist nicht menschlich. Ein Embryo ist weit weniger als menschlich.
    Vielleicht kam es daher, daß Emma mehr als Scott von den Spielsachen lernte. Er konnte natürlich seine Gedanken vermitteln; Emma konnte es nicht, abgesehen von einigen verborgenen Bruchstücken. Zum Beispiel die Sache mit dem Gekritzel…
    Gebt einem kleinen Kind Papier und Bleistift: es wird etwas zeichnen, das für es selbst anders als für einen Erwachsenen aussieht. Die unsinnigen Stricheleien haben wenig Ähnlichkeit mit einem Feuerwehrwagen; aber es ist tatsächlich ein Feuerwehrwagen. Vielleicht ist er sogar dreidimensional. Babys denken anders, und sie sehen anders.
    Darüber brütete Paradine, als er eines Abends die Zeitung las und beobachtete, wie sich Emma und Scott verständigten. Scott stellte seiner Schwester Fragen. Manchmal fragte er in Englisch. Manchmal mußte er einen Kauderwelsch und Zeichensprache zu Hilfe nehmen. Emma versuchte zu antworten, aber die Hindernisse waren zu groß.
    Schließlich holte Scott Papier und Bleistift. Emma mochte das. Mit herausgestreckter Zunge schrieb sie mühsam eine Botschaft auf. Scott nahm das Papier, betrachtete es sorgfältig und runzelte die Stirn.
    »Das ist nicht richtig, Emma«, sagte er.
    Emma nickte energisch. Sie ergriff wieder den Bleistift und malte noch mehr Kritzel. Scott knobelte einige Zeit daran herum, lächelte schließlich zögernd und stand auf. Er verschwand in der Diele. Emma wandte sich wieder dem ›Abakus‹ zu.
    Paradine stand auf und sah sich das Papier an. Er hatte den verrückten Einfall, daß Emma urplötzlich Schreiben gelernt hatte. Aber sie hatte es nicht. Das Papier war mit sinnlosen Kritzeleien in der Art, wie sie allen Eltern vertraut sind, bedeckt. Paradin schürzte die Lippen.
    Es könnte sich um ein Diagramm handeln, das die geistigen Abweichungen einer manisch-depressiven Küchenschabe zeigte, aber das war es wahrscheinlich nicht. Dennoch hatte es für Emma zweifellos eine Bedeutung. Vielleicht stellte das Gekritzel Onkel Bär dar.
    Scott kam zurück, er sah vergnügt aus. Er begegnete Emmas Blick und nickte. Paradine wurde plötzlich neugierig.
    »Geheimnisse?«
    »Ach was. Emma… mmm… bat mich, etwas für sie zu erledigen.«
    »Oh.« Paradine erinnerte sich an die Beispiele von Kleinkindern, die in unbekannten Sprachen brabbelten und die Linguistenverblüfften. Er nahm sich vor, das Papier an sich zu nehmen, wenn die Kinder fertig waren. Am nächsten Tag zeigte er in der Universität Elkins das Gekritzel. Elkins hatte den Ruf, viele verschiedene Sprachen zu beherrschen, aber er lachte über Emmas Ausflug in die Literatur.
    »Hier ist eine freie Übersetzung, Dennis: Anführung. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ich werde meinen Vater damit teuflisch reinlegen. Abführung.«
    Die beiden Männer lachten und gingen zu ihren Klassen. Aber Paradine sollte sich später noch an den Zwischenfall erinnern. Besonders, nachdem er Holloway begegnete. Davor sollten aber noch Monate vergehen und die Situation sich noch weiter auf ihren Höhepunkt zu entwickeln.
    Vielleicht hatten Paradine und Jane zuviel Interesse für das Spielzeug an den Tag gelegt. Emma und Scott gingen dazu über, es zu verstecken und nur noch ganz unter sich damit zu spielen. Sie taten das nicht offensichtlich, aber mit einer gewissen aufdringlichen Vorsicht. Besonders Jane war irgendwie beunruhigt.
    Eines Abends sprach sie mit Paradine darüber. »Die Puppe, die Harry Emma gegeben hat.«
    »Ja?«
    »Ich war heute in der Stadt und versuchte herauszufinden, woher sie stammt. Nichts.«
    »Vielleicht hat Harry sie in New York gekauft.«
    Jane war nicht überzeugt. »Ich habe mich auch nach den anderen Sachen erkundigt. Sie zeigten mir ihr Lager – Johnsons Laden ist ziemlich groß, weißt du. Aber da gibt es nichts, was Emmas ›Abakus‹ ähnelt.«
    »Hmm.« Paradine war nicht sehr interessiert. Sie hatten Eintrittskarten für eine Revue, und es war schon spät. Daher wurde das Thema für den Moment fallengelassen.
    Später kam es wieder auf, als Jane mit einer Nachbarin telefonierte.
    »Scotty ist nie so gewesen, Denny. Mrs. Burns erzählte mir, daß er Francis zu Tode erschreckt
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