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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden
Autoren: Nele Neuhaus
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Sie behalten die beiden Fahrzeuge im Blick«, sagte die Kriminalrätin entschlossen. »Ich werde die Kollegen in Polen verständigen. Und dann fahre ich nach Wiesbaden.«
     
    Einer der schwarzgekleideten Männer, die so unerwartet aufgetaucht waren, war mit Vera Kaltensee weggefahren. Ihr letzter Befehl war eindeutig gewesen: Elard Kaltensee, Auguste Nowak und Pia sollten gefesselt und im Keller erschossen werden. Pia überlegte verzweifelt, wie sie sich aus dieser ausweglosen Lage befreien und Miriam und Henning warnen konnte. Von den Schwarzgekleideten war keine Gnade zu erwarten, sie würden einfach nur ihren Auftrag erfüllen und danach zurück nach Deutschland fahren, als sei nichts geschehen. Pia wusste, dass sie die Verantwortung für Henning und Miriam trug, immerhin hatte sie die beiden in diese furchtbare Situation gebracht! Mit einem Mal überkam sie wilder Zorn. Sie hatte keine Lust, sich wie ein Opfer zur Schlachtbank führen zu lassen! Es konnte nicht sein, dass sie sterben sollte, ohne Christoph noch einmal wiedergesehen zu haben. Christoph! Sie hatte versprochen, ihn am Flughafen abzuholen, wenn er heute Abend aus Südafrika zurückkehrte! Vor dem Loch, das in den Keller führte, blieb Pia stehen.
    »Was haben Sie mit uns vor?«, fragte sie, um Zeit zu gewinnen.
    »Das hast du doch gehört«, erwiderte der Mann. Seine Stimme klang durch die Sturmmaske dumpf.
    »Aber warum ...«, begann Pia. Der Mann versetzte ihr einen groben Stoß in den Rücken, sie verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber den Schutthaufen hinunter. Durch die Handfesseln behindert, konnte sie sich nicht abstützen. Etwas Hartes bohrte sich schmerzhaft in ihr Zwerchfell, keuchend drehte sie sich auf den Rücken und schnappte nach Luft. Hoffentlich hatte sie sich nichts gebrochen! Der andere Mann trieb Elard Kaltensee und Auguste Nowak vor sich her. Auch ihnen hatte man die Hände auf den Rücken gefesselt.
    »Aufstehen!« Schon war der Vermummte über ihr und zerrte an ihrem Arm. »Los, los!«
    In dem Augenblick fiel Pia ein, was ihr beinahe die Rippen gebrochen hätte: Elards Pistole, die in ihrem Hosenbund steckte! Sie musste Henning und Miriam warnen!
    »Au!«, schrie sie, so laut sie konnte. »Mein Arm! Ich glaube, er ist gebrochen!«
    Einer der Killer fluchte leise, zerrte Pia mit Hilfe seines Kumpanen auf die Füße und stieß sie den Gang entlang. Wenn nur Henning und Miriam ihren Schrei gehört und sich versteckt hatten! Die beiden waren ihre einzige Hoffnung, denn Vera Kaltensee hatte nicht daran gedacht, den Schwarzgekleideten von ihnen zu erzählen. Während sie den Gang entlangstolperte, versuchte sie vergeblich, die Fesseln an ihren Handgelenken zu lockern. Dann hatten sie den Keller erreicht. Der Scheinwerfer brannte noch, aber von Henning und Miriam war nichts zu sehen. Pias Mund war staubtrocken, das Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Der Mann, der sie das Loch hinuntergestoßen hatte, zog sich nun die Sturmhaube vom Gesicht, und Pia entgleisten die Gesichtszüge.
    »Frau Moormann!«, stieß sie fassungslos hervor. »Ich dachte ... Sie ... ich meine ... Ihr Mann ...«
    »Sie hätten in Deutschland bleiben sollen«, sagte die Haushälterin des Mühlenhofs, die offenbar etwas mehr als nur eine Haushälterin war, und richtete die Pistole mit dem Schalldämpfer direkt auf Pias Kopf. »Selbst schuld, dass Sie jetzt in Schwierigkeiten sind.«
    »Aber Sie können uns doch jetzt nicht einfach hier erschießen! Meine Kollegen wissen, wo wir sind und ...«
    »Klappe halten.« Das Gesicht von Anja Moormann war ausdruckslos, ihre Augen wirkten kalt wie Glasmurmeln. »In einer Reihe aufstellen.«
    Auguste Nowak und Elard Kaltensee rührten sich nicht.
    »Die polnischen Kollegen sind auch informiert und werden in Kürze hier sein, wenn ich mich nicht bald wieder melde«, wagte Pia einen letzten Versuch. Hinter dem Rücken wand sie verzweifelt die Handgelenke. Ihre Finger waren schon ganz taub, trotzdem glaubte sie zu spüren, dass sich die Fesseln lockerten. Sie musste nur Zeit gewinnen!
    »Ihre Chefin wird spätestens an der Grenze verhaftet!«, stieß sie hervor. »Warum tun Sie das jetzt noch? Das ist doch alles sinnlos!«
    Anja Moormann beachtete sie nicht. »Los, Herr Professor«, sie richtete ihre Pistole auf Elard Kaltensee, »auf die Knie, wenn ich bitten darf.«
    »Wie können Sie das nur tun, Anja«, sagte Elard Kaltensee erstaunlich ruhig. »Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, wirklich.«
    »Hinknien!«,
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