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Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Titel: Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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gehört Mumm dazu, jemandem den Wagen direkt aus der Einfahrt zu klauen.«
    Ehe Cam reagieren oder wenigstens fluchen konnte, packte ihn eine Hand hinten an der Jeans, riß ihn hoch und wirbelte ihn herum. Cam holte aus, doch seine Fäuste schienen an einem Steinblock abzuprallen.
    Das war seine erste Begegnung mit dem Großen Quinn. Der Mann war ein Hüne, mindestens einsneunzig groß und gebaut wie der Stürmer der Baltimore Colts. Sein breites Gesicht war wettergegerbt und wurde von einem dichten blonden Haarschopf eingerahmt, in dem hier und da Silber aufblitzte. Die durchdringend blauen Augen loderten vor Zorn. Es kostete ihn nicht viel Kraft, den Jungen festzuhalten. Der wog nicht mal hundert Pfund, schätzte Quinn. Sein Gesicht war schmutzig und übel zerschunden, ein Auge fast zugeschwollen, während aus dem anderen, das von dunklem Schiefergrau war, eine Bitterkeit sprach, die nicht zu einem Kind paßte. Getrocknetes Blut klebte an seinem spöttisch verzogenen Mund. Mitleid und Zorn regten sich in ihm, doch er ließ nicht locker. Sonst wäre dieses Kaninchen blitzschnell verschwunden.
    »Sieht ganz so aus, als hättest du beim Raufen den kürzeren gezogen, mein Sohn.«
    »Nehmen Sie Ihre beschissenen Hände weg. Ich hab’ nichts getan.«
    Ray hob kaum merklich eine Braue. »Du hast heute, Samstag gegen sieben Uhr früh, im neuen Wagen meiner Frau gesessen.«
    »Ich hab’ bloß ein bißchen Kleingeld gesucht. Was soll das Scheißtheater?«
    »Du willst es dir doch nicht zur Gewohnheit machen, das Wort ›Scheiße‹ ausschließlich als Schimpfwort zu benutzen?«
    Sein dozierender Ton war zuviel für Cam. »Hören Sie, Mann, ich wollte bloß einen Vierteldollar schnorren. Den hätten Sie nicht mal vermißt.«
    »Nein, aber Stella hätte ihren Wagen vermißt, wenn du ihn geklaut hättest. Und mein Name ist nicht ›Mann‹. Ich heiße Ray. Also, meiner Ansicht nach hast du jetzt folgende Alternativen. Nummer eins: Ich schaffe dich ins Haus und rufe die Cops. Was hältst du davon, die nächsten paar Jahre in einem Heim für schwererziehbare Jugendliche zu verbringen?«
    Aus Cams Gesicht wich alle Farbe. Sein leerer Magen revoltierte, und seine Handflächen wurden plötzlich feucht. In einem Käfig würde er es nicht aushalten. Er war sicher, daß er dort sterben würde. »Ich sagte doch, ich wollte den verdammten Wagen nicht klauen. Er hat vier Gänge. Wie zum Teufel soll ich einen Wagen mit vier Gängen fahren?«
    »Oh, ich habe den Eindruck, damit wärst du schon klargekommen.« Ray blies die Backen auf, dachte kurz nach und atmete wieder aus. »Also, Wahlmöglichkeit Nummer zwei …«
    »Ray! Was machst du da draußen mit diesem Jungen?«
    Er blickte zur Veranda hinüber, wo eine Frau mit wilder roter Haarmähne in einem verschossenen blauen Morgenmantel stand und die Hände in die Hüften gestemmt hatte.
    »Wir unterhalten uns nur. Er wollte deinen Wagen klauen.«
    »Um Himmels willen!«
    »Er ist brutal zusammengeschlagen worden. Ist noch nicht lange her, würde ich sagen.«
    »Na.« Stella Quinns Seufzer war über den taufeuchten sattgrünen Rasen hinweg zu hören. »Bring ihn rein, dann schaue ich ihn mir mal an. Ein übler Start in den Tag. Ganz übel. Nein, du gehst da rein, du dummer Hund. Du bist vielleicht eine Niete, bellst nicht mal, wenn man meinen Wagen klauen will.«
    »Meine Frau, Stella.« Ray lächelte strahlend. »Sie hat dir gerade Wahlmöglichkeit Nummer zwei genannt. Hungrig?«
    Die Stimme summte in Cams Kopf. In der Ferne kläffte hell fröhlich ein Hund. Vögel sangen schrill und viel zu nahe. Seine Haut wurde flammend heiß, dann eiskalt, und er sah nichts mehr.
    »Sachte, sachte, mein Sohn. Ich stütze dich.«
    Er fiel in einen schwarzen Abgrund und hörte Rays leisen Fluch nicht mehr.
     
    Als er erwachte, lag er auf einer festen Matratze in einem Zimmer. Eine Brise bauschte die Seidenvorhänge auf und brachte den Duft von Blumen und Wasser mit herein. Panik stieg in ihm auf. Als er sich aufsetzen wollte, hielten ihn zwei Hände fest.
    »Bleib noch einen Moment still liegen.«
    Er sah das längliche, schmale Gesicht der Frau, die sich über ihn beugte und abtastete. Es war mit unzähligen goldenen Sommersprossen übersät, die ihn aus irgendeinem Grund faszinierten. Ihre Augen waren dunkelgrün und nachdenklich, ihr Mund bildete einen dünnen, ernsten Strich. Sie hatte ihr Haar straff zurückgebunden und roch schwach nach Puder.
    Plötzlich bemerkte Cam, daß man ihn bis auf seine
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