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Thursday Next 04 - Es ist was Faul

Thursday Next 04 - Es ist was Faul

Titel: Thursday Next 04 - Es ist was Faul
Autoren: Jasper Fforde
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nun auch wieder nicht!«, rief der Gryphon und schnippte mit den Fingern. Die Schildkröte reichte ihm ein Blatt Papier, das von ihren Tränen durchweicht war.
    Ich nahm es und las die halbverwischten Zeilen.
    »Es ist ein bisschen ungewöhnlich«, sagte der Gryphon. »Ich glaube, das mit den blauen Karos ist ungewöhnlich grausam. Schon deswegen könnten wir wahrscheinlich Berufung einlegen.«
    Ich starrte auf das Blatt mit dem Urteil: »Zwanzig Lebensjahre in blauen Karos!«, murmelte ich.
    »Außerdem können Sie nicht sterben, ehe Sie nicht die zehn langweiligsten Bücher gelesen haben«, fügte der Gryphon hinzu.
    »Das muss meine Großmutter auch machen«, sagte ich leicht verblüfft.
    »Das ist nicht möglich«, sagte die Schildkröte und trocknete ihre Augen. »Dieses Urteil ist einzigartig. Es wurde eigens für Ihr Vergehen entworfen. Die zwanzig Jahre in blauen Karos können Sie übrigens jederzeit nehmen, nicht unbedingt jetzt.«
    »Aber meine Großmutter –«
    »Sie irren sich«, sagte der Greif entschieden. Er nahm das Blatt mit dem Urteil zurück, faltete es sorgfältig und steckte es in die Tasche. »Und wir müssen jetzt gehen. Kommen Sie zu Bradshaws Goldener Hochzeit?«
    »J-a«, sagte ich leicht verwirrt.
    »Gut. Seite 221,
Bradshaw und der Diamant von M'shala
. Bringen Sie was zu trinken und eine Banane mit. Und sagen Sie Ihrem Mann, dass er auch mitkommen soll. Ich weiß, dass er nicht fiktiv ist, aber jeder hat seine kleinen Fehler, nicht wahr? Wir würden ihn alle gern kennen lernen.«
    »Vielen Dank. Was ist denn mit –«
    »Du meine Güte! Ist es wirklich schon so spät?«, sagte der Greif und zog eine gewaltige Taschenuhr aus dem Mantel. Wir müssen in zehn Seiten an einer Hummer-Quadrille teilnehmen!«
    Die Schildkröte schien etwas fröhlicher zu werden, als sie das hörte, und im nächsten Augenblick waren sie weg.
     
    Langsam ging ich dahin zurück, wo Landen und Friday im Auto saßen und auf mich warteten.
    »Dah!«, sagte Friday mit lauter Stimme.
    »Na also!«, sagte Landen. »Jetzt hat er ganz deutlich
Dad
gesagt!« Als er meine gefurchte Stirn sah, fragte er: »Was ist denn los?«
    »Landen, meine Oma mütterlicherseits ist 1968 gestorben, nicht wahr?«
    »Ja, und?«
    »Und die Mutter von meinem Vater ist 1979 gestorben …«
    »Ja?«
    »Wer ist dann die reizende alte Dame in den Goliath Twilight Homes, die ich immer besuche?«
    »Ich hab sie nie kennen gelernt«, sagte Landen. »Ich dachte immer, Gran sei ein Kosename.«
    Ich gab keine Antwort. Ich hatte geglaubt, dass sie meine Großmutter wäre. Aber de facto kannte ich sie erst seit drei Jahren. Davor hatte ich sie nie gesehen. Nein, das stimmt eigentlich auch nicht. Ich hatte sie schon gesehen: jedes Mal, wenn ich in den Spiegel geschaut hatte. Gran war nicht meine Großmutter.
Gran war ich selbst
.
     
    Landen fuhr mich zu den
Twilight Homes
. Ich ließ ihn mit Friday im Auto zurück und betrat das Heim mit klopfendem Herzen. Ich fand die alte Frau wie immer in ihrem Zimmer, wo sich die Stationsschwester gerade freundlich über Grans Bett beugte.
    »Muss sie viel leiden?«, fragte ich.
    »Die Schmerzmittel halten es unter Kontrolle«, sagte die Schwester. »Gehören Sie zur Familie?«
    »Ja«, sagte ich. »Wir stehen uns ziemlich nahe.«
    »Sie ist eine bemerkenswerte Frau«, murmelte die Schwester. »Es ist ein Wunder, dass sie noch bei uns ist.«
    »Das war eine Strafe«, erklärte ich.
    »Wie bitte?«
    »Ach, schon gut. Es wird nicht mehr lange dauern.«
    Ich trat näher ans Bett, und die alte Frau schlug die Augen auf.
    »Hallo, kleine Thursday!«, sagte sie und winkte mir müde. Sie nahm ihre Sauerstoffmaske ab, wurde von der Schwester ordentlich ausgeschimpft und setzte die Maske brav wieder auf.
    »Du bist gar nicht meine Gran, oder?« Ich setzte mich auf die Bettkante.
    Gran lächelte gütig und legte ihre kleine, faltige Hand auf meine. »Ich bin
Granny Next
«, sagte sie. »Allerdings nicht
deine
Großmutter. Wann hast du's gemerkt?«
    »Der Greif hat mir gerade mein Urteil gebracht.«
    Jetzt, wo ich es wusste, schien sie mir viel vertrauter als je zuvor. Ich sah jetzt sogar die kleine Narbe an ihrem Kinn, die vom Angriff der Leichten Panzerbrigade im Jahr '72 herrührte. Und auf der Stirn war eine gut verheilte Einschussnarbe zu sehen.
    »Warum hab ich das bloß nie gemerkt?«, fragte ich in meiner Verwirrung. »Meine
echten
Großmütter sind doch längst tot, und ich hab es immer gewusst.«
    Die müde alte Dame
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