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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
Autoren: John Grisham
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sollte. Stundenlang hatte sie die Frage mit Theo diskutiert, wusste aber immer noch nicht, was sie sagen sollte.
    Theo war völlig unklar, warum diese Leute, die sich nie um April gekümmert hatten, überhaupt das Sorgerecht haben wollten. Ihm waren diesbezüglich Dinge zu Ohren gekommen, über die er mit niemandem sprach.
    » Was wirst du antworten?«, fragte er.
    » Ich sage dem Richter, dass ich zu meiner Tante Peg in Denver gehe.«
    » Ich denke, die will dich nicht.«
    » Stimmt.«
    » Dann ist das keine Option.«
    » Was soll ich bloß sagen, Theo?«
    » Meine Mutter findet, du sollst deine Mutter nehmen. Ich weiß, dass sie nicht deine erste Wahl ist, aber du hast keine erste Wahl.«
    » Der Richter entscheidet doch sowieso, wie er will.«
    » Stimmt. Wenn du vierzehn wärst, wäre deine Entscheidung bindend, aber mit dreizehn muss der Richter nur deine Wünsche berücksichtigen. Meine Mutter sagt, der Vater bekommt praktisch nie das Sorgerecht. Nimm deine Mutter, dann bist du auf der sicheren Seite.«
    April trug Jeans, Trekkingstiefel und einen blauen Pulli. Sie kleidete sich selten mädchenhaft, sah aber trotzdem nie wie ein Junge aus.
    » Danke, Theo«, sagte sie.
    » Ich würde gern dableiben.«
    » Und ich würde gern zur Schule gehen.«
    Beide lachten gezwungen.
    » Ich denk an dich. Du schaffst das.«
    » Danke, Theo.«
    Theos Lieblingsrichter war Richter Henry Gantry. Um zwanzig nach acht betrat er das Vorzimmer dieses bedeutenden Mannes.
    » Guten Morgen, Theo«, sagte Mrs. Hardy, die gerade ihren Kaffee umrührte und ihre Arbeit vorbereitete.
    » Guten Morgen, Mrs. Hardy.« Theo lächelte.
    » Was verschafft uns die Ehre?«, erkundigte sie sich.
    Theo schätzte Mrs. Hardy etwas jünger als seine Mutter und fand sie sehr hübsch. Von den Sekretärinnen am Gericht mochte er sie am liebsten. Seine bevorzugte Geschäftsstellenbeamtin war Jenny vom Familiengericht.
    » Ich muss Richter Gantry sprechen«, erwiderte er. » Ist er da?«
    » Ja, aber er ist sehr beschäftigt.«
    » Bitte. Nur eine Minute.«
    Sie nippte an ihrem Kaffee. » Hat das irgendwas mit dem großen Prozess morgen zu tun?«
    » Ja, genau. Ich will mit meiner Schulklasse zum ersten Verhandlungstag kommen, aber das geht nur, wenn es genügend Sitzplätze gibt.«
    » Das wird schwierig, Theo.« Mrs. Hardy schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. » Der Saal wird überfüllt sein, da wird es eng mit den Sitzplätzen.«
    » Kann ich den Richter sprechen?«
    » Wie viele seid ihr in deiner Klasse?«
    » Sechzehn. Ich dachte, vielleicht dürfen wir auf die Galerie.«
    Immer noch die Stirn runzelnd, griff sie zum Telefon und drückte eine Taste. » Ja, Richter Gantry«, sagte sie nach einem Augenblick. » Theodore Boone ist hier und möchte Sie sprechen. Ich habe ihm schon gesagt, dass Sie viel zu tun haben.« Sie lauschte kurz und legte dann auf.
    » Beeil dich!« Damit deutete sie auf die Tür zum Büro des Richters.
    Sekunden später stand Theo vor dem größten Schreibtisch der Stadt, auf dem sich alle möglichen Papiere, Akten und Ordner stapelten– einem Schreibtisch, der die gewaltige Macht von Richter Henry Gantry widerspiegelte. Im Augenblick blickte der sehr ernst drein. Bestimmt hatte er nicht mehr gelächelt, seit Theo ihn bei der Arbeit gestört hatte. Im Gegensatz zu ihm lächelte Theo so angestrengt, dass das Metall von einem Ohr zum anderen blitzte.
    » Du hast das Wort«, sagte Richter Gantry. Theo war oft dabei gewesen, wenn der Richter Staatsanwälten oder Verteidigern auf diese Weise das Wort erteilte. Immer wieder gerieten selbst kompetente Juristen unter dem strengen Blick von Richter Gantry ins Stottern. Obwohl er im Augenblick gar nicht so finster dreinsah und auch keine schwarze Robe trug, blieb er eine Respekt einflößende Erscheinung. Doch als sich Theo räusperte, entdeckte er ein unverkennbares Funkeln in den Augen seines Freundes.
    » Wissen Sie, Richter Gantry, unser Sozialkundelehrer Mr. Mount meint, der Direktor würde uns den ganzen Tag freigeben, damit wir morgen zum ersten Verhandlungstag kommen können.« Theo legte eine Pause ein, holte tief Luft und rief sich ins Gedächtnis, dass ein erfolgreicher Prozessanwalt langsam, deutlich und voller Überzeugung sprechen musste. » Aber nur, wenn wir garantierte Sitzplätze haben. Ich dachte, wir könnten auf der Galerie sitzen.«
    » Das hast du dir gedacht?«
    » Ja, Sir.«
    » Wie viele seid ihr?«
    » Sechzehn und Mr. Mount.«
    Der Richter griff nach einer Akte,
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