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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
Autoren: John Grisham
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drei langen Bänken. Da oben sitzen wir, aber keine Sorge: Von dort hört und sieht man alles.«
    » Noch Fragen?«, erkundigte sich Mr. Mount.
    Die Jungen fixierten die Grafik. » Wer fängt an?«, fragte einer.
    Theo begann, auf und ab zu gehen. » Da die Beweislast beim Staat liegt, muss die Anklage ihre Argumente zuerst vortragen. Morgen früh wird der Staatsanwalt vor den Geschworenen stehen und sie direkt ansprechen. Das wird als Eröffnungsplädoyer bezeichnet. Er wird den Fall aus seiner Sicht schildern. Dann tut der Verteidiger dasselbe. Danach ruft die Anklage ihre Zeugen auf. Wie ihr wisst, gilt für Mr. Duffy die Unschuldsvermutung. Deswegen muss die Staatsanwaltschaft seine Schuld nachweisen, und zwar so, dass kein begründeter Zweifel möglich ist. Er plädiert auf › nicht schuldig ‹ , was in der Praxis nicht oft vorkommt. Etwa achtzig Prozent der des Mordes Beschuldigten bekennen sich irgendwann schuldig, weil sie es nämlich sind. Gegen die übrigen zwanzig Prozent wird Anklage erhoben, und neunzig Prozent von ihnen werden verurteilt. Es kommt also nur selten vor, dass ein Angeklagter in einem Mordprozess für nicht schuldig befunden wird.«
    » Mein Dad meint, er ist schuldig«, sagte Brian.
    » Da ist er nicht der Einzige«, erwiderte Theo.
    » Bei wie vielen Verhandlungen warst du dabei, Theo?«
    » Keine Ahnung. Dutzenden.«
    Da keiner der anderen fünfzehn je auch nur einen Sitzungssaal von innen gesehen hatte, konnten sie das kaum fassen.
    » Falls ihr viel fernseht, dürft ihr nicht zu viel erwarten«, fuhr Theo fort. » Eine echte Verhandlung ist ganz anders und nicht halb so aufregend wie im Fernsehen. Es werden keine Zeugen aus dem Hut gezaubert, es gibt keine dramatischen Geständnisse, und die Verteidiger prügeln sich auch nicht mit den Staatsanwälten. Bei diesem Prozess gibt es keine Augenzeugen. Das bedeutet, dass die Anklage auf Indizienbeweisen beruht. Dieses Wort werdet ihr oft zu hören bekommen, vor allem von Mr. Clifford Nance, dem Verteidiger. Er wird darauf herumreiten, dass die Staatsanwaltschaft keine unmittelbaren Beweise hat und dass die Anklage nur auf Indizien beruht.«
    » Was heißt das eigentlich?«, wollte einer wissen.
    » Das bedeutet, dass es sich um mittelbare, nicht um unmittelbare Beweise handelt. Bist du zum Beispiel heute mit dem Rad zur Schule gefahren?«
    » Ja.«
    » Und hast du es am Fahrradständer an der Fahnenstange festgekettet?«
    » Ja.«
    » Wenn du also heute Nachmittag aus der Schule kommst, zum Fahrradständer gehst und feststellst, dass dein Rad weg und die Kette durchgeschnitten ist, liegt ein mittelbarer Beweis dafür vor, dass jemand dein Rad gestohlen hat. Keiner hat den Dieb gesehen, deswegen gibt es keinen unmittelbaren Beweis. Nehmen wir mal an, die Polizei findet dein Rad morgen in einer Pfandleihe in der Raleigh Street, einem Laden, der dafür bekannt ist, dass dort gestohlene Fahrräder verkauft werden. Der Eigentümer nennt der Polizei einen Namen, die ermittelt und stößt auf einen Typen, der schon früher Räder gestohlen hat. Dann hast du überzeugende mittelbare Beweise dafür, dass der Kerl dein Dieb ist. Keine unmittelbaren Beweise, sondern Indizienbeweise.«
    Selbst Mr. Mount nickte dazu. Er leitete als Fachschaftsberater den Debattierkreis der achten Klasse, und sein Star war Theodore Boone– wie hätte es auch anders sein können. Er hatte nie einen Schüler gehabt, der so messerscharf argumentieren konnte.
    » Danke, Theo«, sagte Mr. Mount. » Und danke, dass du uns die Plätze für morgen besorgt hast.«
    » Keine Ursache«, erwiderte Theo voller Stolz und setzte sich.
    Es war eine begabte Klasse an einer ausgezeichneten staatlichen Schule. Justin war mit Abstand der beste Sportler, wobei Brian der schnellere Schwimmer war. Ricardo schlug alle bei Golf und Tennis. Edward spielte Cello, Woody E-Gitarre, Darren Schlagzeug, Jarvis Trompete. Joey hatte den höchsten IQ und die besten Noten. Chase war der verrückte Professor, der ständig fast das Labor in die Luft sprengte. Aaron sprach Spanisch wie seine Mutter, Deutsch wie sein Vater und natürlich Englisch. Brandon trug vor der Schule Zeitungen aus, handelte online mit Wertpapieren und hatte fest vor, der erste Millionär der Gruppe zu werden.
    Natürlich gab es auch zwei hoffnungslose Nerds und mindestens einen potenziellen Kriminellen.
    Diese Klasse hatte sogar ihren eigenen Anwalt, was Mr. Mount noch nie erlebt hatte.

Drei
    Die Kanzlei Boone & Boone hatte ihre
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