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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
Autoren: John Grisham
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Büroräume in einem umgebauten alten Wohnhaus in der Park Street, dreihundert Meter von der Main Street und zehn Gehminuten vom Gericht entfernt. In diesem Viertel gab es jede Menge Anwälte, und die Wohnhäuser in der Park Street beherbergten mittlerweile nur noch Geschäftsräume– Anwälte, Architekten, Steuerberater, Ingenieure und andere hatten sich dort niedergelassen.
    Die Kanzlei bestand aus zwei Anwälten, Mr. und Mrs. Boone, die in jeder Hinsicht gleichberechtigte Partner waren. Mr. Boone, Theos Vater, war Anfang fünfzig, wirkte aber viel älter. Zumindest fand Theo das, obwohl er es wohlweislich für sich behielt. Sein Vorname war Woods, was in Theos Ohren wie ein Familienname klang. Tiger Woods, der Golfer. James Woods, der Schauspieler. Bisher war ihm noch kein anderes menschliches Wesen untergekommen, das den Vornamen Woods trug, weswegen er sich jedoch keine grauen Haare wachsen ließ. Er versuchte, sich nicht über Dinge aufzuregen, die er nicht ändern konnte.
    Woods Boone. Manchmal sagte Theo den Namen schnell vor sich hin, dann klang er wie woodspoon. Er hatte nachgesehen: woodspoon war eigentlich kein Wort, hätte aber gut eines sein können. Ein Holzlöffel war kein woodspoon, sondern ein wooden spoon. Aber wer benutzte schon Holzlöffel? Außerdem war das Ganze sowieso nebensächlich. Trotzdem dachte Theo jedes Mal, wenn er den Namen seines Vaters in schwarzen Lettern an der Bürotür prangen sah, unwillkürlich an das Wort woodspoon. Er konnte es sich einfach nicht abgewöhnen.
    Das Büro lag im ersten Stock und war über eine morsche Treppe zu erreichen, die von einem abgewetzten, fleckigen Läufer bedeckt war. Mr. Boone saß allein im ersten Stock, weil die Damen ihn aus zwei Gründen aus dem Erdgeschoss verbannt hatten. Erstens war er ein Chaot, und sein Büro sah aus wie ein Schlachtfeld, was Theo aber gut gefiel. Zweitens, und das war viel schlimmer, rauchte Mr. Boone Pfeife, und zwar am liebsten bei geschlossenen Fenstern und ausgeschaltetem Deckenventilator, sodass der schwere Duft des aromatisierten Tabaks die Luft erfüllte, von dem Mr. Boone verschiedene Sorten benutzte. Der Rauch störte Theo nicht, aber er sorgte sich um die Gesundheit seines Vaters. Mr. Boone hielt nicht viel von Fitness. Er bewegte sich wenig und hatte ein paar Kilo zu viel auf den Rippen. Er arbeitete hart, aber im Gegensatz zu seiner Geschäftspartnerin, Theos Mutter, nahm er berufliche Probleme nicht mit nach Hause.
    Mr. Boone hatte sich auf Immobilienrecht spezialisiert, was Theo für den langweiligsten Bereich der Juristerei hielt. Sein Vater ging nie vor Gericht, plädierte nie vor Richtern und Geschworenen, schien überhaupt nie das Büro zu verlassen. Tatsächlich bezeichnete er sich selbst oft als » Büroanwalt« und schien damit höchst zufrieden zu sein. Theo bewunderte seinen Vater, hatte aber nicht die Absicht, sein Berufsleben eingesperrt in irgendeinem Büro zu verbringen. No, Sir. Theo war für den Gerichtssaal bestimmt.
    Da Mr. Boone allein im ersten Stock residierte, war sein Büro riesig. Lange, durchhängende Regale säumten zwei der Wände, und die anderen beiden waren von einer stetig wachsenden Sammlung gerahmter Fotos bedeckt, die Woods Boone bei allen möglichen wichtigen Ereignissen zeigten: wie er Politikern die Hand schüttelte, mit Kollegen bei Anwaltskongressen posierte und Ähnliches. Theo kannte verschiedene Kanzleien der Stadt von innen– er war ziemlich neugierig und hielt stets nach offenen Türen Ausschau– und wusste daher, dass Anwälte ihre Wände gern mit solchen Fotos, Diplomen, Auszeichnungen und Mitgliedsurkunden der verschiedensten Clubs schmückten. » Selbstdarstellungswand« nannte seine Mutter das verächtlich. Ihre Wände waren nämlich bis auf ein paar verwirrend moderne Gemälde kahl.
    Theo klopfte und öffnete im selben Moment die Tür. Er hatte Anweisung, sich jeden Nachmittag nach der Schule bei seinen Eltern zu melden, falls er nicht anderweitig beschäftigt war. Sein Vater saß allein hinter einem uralten Schreibtisch, auf dem sich die Papiere türmten. Sein Vater war immer allein, weil seine Mandanten nur selten vorbeikamen. Sie riefen an, schickten Unterlagen mit der Post, per Fax oder E-Mail, aber es gab für sie keinen Grund, sich persönlich von Boone & Boone beraten zu lassen.
    » Hallo.« Theo ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    » Wie war’s in der Schule?«, fragte sein Vater wie jeden Tag.
    » Gut. Der Direktor hat unsere Exkursion zum
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