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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile
Autoren: Stephen King
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gleichzeitig belegt – man muss dem Herrn auch für kleine Gefälligkeiten dankbar sein. Höchstens vier Zellen waren belegt, mit einer Mischung aus Schwarzen und Weißen (in Cold Mountain gab es keine Rassentrennung unter den wandelnden Toten), und das war ein kleines Stück Hölle. In einer Zelle war eine Frau, Beverly McCall. Sie war schwarz wie ein Pikass und schön wie eine Sünde, für die man nie genug Mumm hat, um sie zu begehen. Sie hatte es sechs Jahre lang hingenommen, von ihrem Mann geschlagen zu werden, aber keinen einzigen Tag ertragen, dass er sich herumtrieb. An dem Abend, an dem sie herausfand, dass er sie betrog, wartete sie auf den unglückseligen Lester McCall, bei seinen Kumpeln (und vermutlich bei seiner erst seit sehr Kurzem vorhandenen Geliebten) als Cutter bekannt, oben auf der Treppe zur Wohnung über seinem Friseurladen. Sie wartete, bis er seinen Mantel halb ausgezogen hatte, und ließ dann seine betrügerischen Eingeweide auf seine zweifarbigen Schuhe spritzen. Dazu benutzte sie eines von Cutters eigenen Rasiermessern. Zwei Nächte, bevor sie auf Old Sparky Platz nehmen musste, rief sie mich zu ihrer Zelle und sagte, sie wäre in einem Traum von ihrem afrikanischen Geistervater besucht worden. Er riet ihr, ihren Sklavennamen aufzugeben und unter ihrem freien Namen zu sterben: Matuomi. Es war ihre Bitte, dass ihr Todesurteil mit dem Namen Beverly Matuomi verlesen werden sollte. Ich vermute, dass ihr Geistervater ihr keinen Vornamen gab, oder zumindest keinen, den sie verstehen konnte. Jedenfalls sagte ich ja, okay, prima. Eines habe ich als Obermotz der Wärter gelernt: Den zum Tode Verurteilten schlägt man nie etwas ab, wenn es nicht unbedingt sein muss. Im Fall von Beverly Matuomi machte es so oder so keinen Unterschied. Der Gouverneur rief am nächsten Nachmittag gegen drei Uhr an und wandelte die Todesstrafe in lebenslänglich in der Grassy Valley Penal Facility für Frauen um – alles Penal und kein Penis sagten wir damals. Es freute mich, als ich Bevs runden Hintern vom Wachpult nach links statt nach rechts gehen sah, das kann ich Ihnen sagen.
    Fünfunddreißig Jahre oder so später – es müssen mindestens fünfunddreißig gewesen sein – sah ich diesen Namen in der Zeitung unter dem Foto einer schmalgesichtigen schwarzen Lady mit weißem Haar und einer strassverzierten Brille. Es war Beverly. Sie hatte die letzten zehn Jahre ihres Lebens als freie Frau verbracht, hieß es im Nachruf, und die Bücherei der Kleinstadt Raines Falls fast im Alleingang vor der Schließung gerettet. Beverly hatte auch in der Sonntagsschule gelehrt und war in diesem Nest sehr beliebt gewesen. BIBLIOTHEKARIN STARB AN HERZVERSAGEN, lautete die Überschrift, und darunter in kleinerer Schrift, fast als nachträgliche Ergänzung: Verbüßte über zwei Jahrzehnte Gefängnisstrafe wegen Mordes. Nur die Augen, groß und strahlend hinter der strassverzierten Brille, waren dieselben. Es waren die Augen einer Frau, die noch mit über siebzig Jahren nicht zögern würde, sich eine Rasierklinge aus dem blauen Topf mit Desinfektionslauge zu schnappen, wenn der Drang übermächtig wurde. Man erkennt Mörder, selbst wenn sie als alte Bibliothekarinnen in verschlafenen Kleinstädten enden. Jedenfalls erkennt man welche, wenn man auf so viele Mörder aufgepasst hat wie ich. Nur einmal habe ich das Wesen meines Jobs infrage gestellt. Deshalb, nehme ich an, schreibe ich das hier. Der breite Gang durch die Mitte des E-Blocks war mit Linoleum von der Farbe müder alter Limonen ausgelegt, und so wurde das, was in anderen Gefängnissen Letzte Meile hieß, in Cold Mountain Green Mile genannt. Ich glaube, sie maß von Süden nach Norden, vom Anfang bis zum Ende, sechzig lange Schritte. Am Anfang war der Gefängnistrakt, am Ende war eine T-Kreuzung. Ein Abbiegen nach links bedeutete Leben – wenn man das, was im sonnenverdorrten Hof lief, als Leben bezeichnen konnte, und viele taten das; viele lebten jahrelang so, ohne erkennbare Beeinträchtigungen. Diebe und Brandstifter und Sexualverbrecher, alle sprachen ihre Sprache und gingen ihrer Wege und machten ihre kleinen Händel. Ein Abbiegen nach rechts – das war anders. Zuerst kam man in mein Büro (wo der Teppich ebenfalls grün war; ich wollte es immer ändern, kam aber nie dazu) und trat vor meinen Schreibtisch, der links von der US-Flagge und rechts von der Flagge unseres Bundesstaats flankiert war. Auf der hinteren Seite waren zwei Türen. Eine führte in das kleine
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