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Teuflische Stiche

Teuflische Stiche

Titel: Teuflische Stiche
Autoren: Manfred Brüning
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weg.«
    »Kennst du die Männer, die aus der Wohnung gekommen sind?«
    »Weiß nicht.«
    »Nun los, sag schon.«
    »Einen kenne ich vielleicht. Der ist früher mal da gewesen.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Groß ist der, so wie Sie. Er hat einen dünnen Bart nur um den Mund rum. Und …«
    Plötzlich fiel der Junge zu Boden und zuckte am ganzen Körper. Hilflos sah Venske zu, wie die Füße zappelten, und die Fersen wieder und wieder aufschlugen. Auch die Arme krachten rhythmisch auf das abgetretene Linoleum.
    Muss ich einen Arzt anrufen? Was kann ich tun? Wann hört das endlich auf?, fragte sich Venske. Er kniete sich hin und zog den Jungen auf seine Oberschenkel. Hautnah spürte er das heftige Aufbäumen des kleinen Körpers. Die Stöße des Kopfes gegen sein Brustbein verursachten ihm Schmerzen. Er versuchte, das Zucken der Arme etwas abzubremsen, damit die Hände nicht so hart aufschlugen. Er sah, wie sich die Jeans zwischen den Beinen des Jungen dunkel färbte. Venske schaute sich um. Niemand war zu sehen. Er fühlte sich hilflos und armselig.
    So unerwartet wie der Anfall begonnen hatte, so plötzlich war er vorbei. Der Junge öffnete die Augen, orientierte sich, stützte sich benommen mit den Händen ab, drehte sich um und sah Venske an. »Tut mir leid. Ich muss jetzt gehen. Tut mir wirklich leid.«
    »Ist deine Mutter zu Hause?«
    »Die ist putzen. Die kommt erst in einer Stunde.«
    »Ist sonst einer bei dir in der Wohnung?«
    »Keiner.«
    »Soll ich jemanden benachrichtigen, der bei dir bleibt, bis deine Mutter zurück ist?«
    »Ist nicht nötig. Ich schaffe das allein.« Er grinste schon wieder. »Ist ja nicht das erste Mal.«
    Bevor Venske noch etwas erwidern konnte, huschte der Junge an ihm vorbei.
    Venske starrte hinter ihm her. Er kniete weiter am Boden und wartete irritiert und unschlüssig. Worauf, hätte er nicht sagen können.

    Um sich davon zu überzeugen, dass die Wohnung, vor der er hockte, wirklich leer war, stand er schließlich auf und legte erneut seinen Kopf an die Tür. Er hörte nur das Rauschen in seinem Ohr.
    Noch zögernd, was er tun sollte, trat er einen Schritt zurück. Ist es nötig, die Feuerwehr anzufordern, um die Tür zu öffnen? Reicht auch der Hausmeister? Wo finde ich den? Er sah sich um. Auf der Fußmatte der rechten Tür lagen ein Paar abgetragene Puschen. Niemand kam die Treppe herauf. Er hatte keine Lust, im Flur auf und ab zu gehen, um auf irgendjemanden von der Hausverwaltung zu warten. Er entschied, dass Gefahr im Verzug war, und warf sich gegen die Tür. Das Schloss brach auf.
    »Darfst du das?« Der Junge duzte ihn wieder. Er hatte sich das Gesicht gewaschen und eine andere Hose angezogen. Haarsträhnen hingen ihm nass über die Augenbrauen.
    »Was machst du denn hier? Ich denke, du ruhst dich aus. Geh in dein Zimmer!«, zischte Venske ihn an. Und dann etwas milder: »Du kannst nicht mitkommen, um alles auszuspionieren. Also geh!«
    Der Junge zog sich etwas zurück. Sprungbereit beobachtete er den Kommissar.
    Als dessen Hand einen Lichtschalter fand und ihn betätigte, blieb der Wohnungsflur dunkel. Venske zog eine kleine Taschenlampe aus dem Futteral an seinem Gürtel und leuchtete in den engen Flur. Links gingen eine schmale und zwei breitere Türen ab. Vom Ende des Ganges leuchtete ein dünner Lichtstreifen am Fußboden. Er tappte darauf zu und wollte die Tür mit Schwung ganz aufdrücken, aber sie schleifte über einen abgetretenen bräunlichen Teppichboden.
    Die letzten Strahlen der Abendsonne schienen durch das geöffnete Fenster an der Stirnseite. Davor stand ein wuchtiger Sessel mit mehreren sorgfältig drapierten Kissen. Ohne den Couchtisch mit schwarzer Schieferplatte zu beachten, ging er an ihm vorbei zum Schreibtisch unter der Dachschräge. Darauf lagen ein gelber Werbekugelschreiber der Post und einige unbeschriebene Blätter. Auch die Rückseiten waren leer. Er wandte sich nach rechts und sah sich einem vollgestopften Bücherregal gegenüber, das bis zur Zimmerdecke reichte und die gesamte Wand einnahm.
    »Da liegt wer!« Der Junge stand in der Zimmertür.
    »Du sollst verschwinden, habe ich gesagt.«
    »Hab ich gemacht. Dann bin ich wiedergekommen.«
    »Du darfst hier nicht sein. Versteh das doch. Das ist verboten. Geh in dein Zimmer, sofort, und bleib da! Hast du verstanden?«
    Maulend zog sich der Junge zurück, blieb aber im Flur.
    Zwischen Sofa und Couchtisch ragten die nackten Füße einer Frau unter einer braunen Decke hervor. Der makellose rote
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