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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche
Autoren: Ross Thomas
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entdecke ich eine Menge, was mir vorher entgangen ist. Darum benutze ich eine Polaroid. Ich warte nicht gern. Auf nichts.« Sie blieb stehen, drehte sich um und richtete die Kamera auf Haere. Er blickte in das Objektiv, ohne zu lächeln. Sie drückte auf den roten Knopf. Die Kamera surrte, und die Aufnahme wurde herausgeschoben. Sie gingen weiter, wobei Velveta Keats beobachtete, wie sich das Bild entwickelte.
    Sie blieb stehen, blickte von dem Bild auf Haere und wieder auf das Bild. »Sie sind wirklich traurig, was? Ich meine ganz tief innen drinnen.«
    Haere lächelte, nahm ihr das Bild ab und sah es an. »Sehen Sie das darauf?«
    Sie nickte. »Ich dachte, es wäre nur das, was Ihr Gesicht zeigt, verstehen Sie, rein zufällig. Aber Sie sind wirklich traurig. Nicht deprimiert. Einfach traurig.«
    Haere wußte nicht, was er dazu sagen sollte, darum gab er ihr das Bild zurück. »Ich glaube, das hebe ich auf«, sagte sie und steckte es in ihre Handtasche. Schweigend gingen sie weiter und lauschten auf das Gewehrfeuer in der Ferne.
    »Wie weit sind sie weg?« fragte sie.
    »Vielleicht eine Meile. Es kann auch weniger sein.«
    »Ich möchte wissen, was Morgan wohl macht.«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie blieb wieder stehen und sah Haere an. »Wir werden doch nicht zulassen, daß sie ihn erschießen? Wir werden ihn doch herausholen? Irgendwie.«
    »Selbstverständlich«, log Haere. »Irgendwie.«
     
    Das Foyer des Intercontinental war brechend voll von Zeitungsreportern und Fernsehberichterstattern und deren Teams. Die meisten waren Amerikaner, aber auch ein paar vereinzelte Europäer waren darunter. Sie alle drängten sich vor dem Empfang, schrien ihre Forderungen, drängten sich gegenseitig beiseite, fluchten auf das Management des Hotels und betonten ihre persönliche Rolle und ihre Bedeutung als Gruppe.
    »Lieber Himmel«, sagte Velveta Keats. »Wo sind die bloß alle hergekommen?«
    »Ich nehme an, sie wollen den Schlußakt miterleben«, sagte Haere. Er sah sich im Foyer um und entdeckte einen großen düsteren Mann in beinahe schon mittleren Jahren, der nachdenklich aus einer Taschenflasche Smirnoff Wodka nippte. Haere wandte sich an Velveta Keats. »Gehen Sie doch schon mal hoch in Ihr Zimmer, während ich herauszufinden versuche, ob diese Burschen irgend etwas wissen.«
    Velveta Keats ging zu den Fahrstühlen, während Haere das Foyer zu dem großen Mann hinüber durchquerte und sagte: »Sie hatten aber einen weiten Weg von St. Louis hierher, Nessie.«
    Der große Mann drehte sich um und blickte von der Höhe seiner einsfünfundneunzig auf Haere hinab. Überraschung trat an die Stelle seiner betrübten Miene. Er lächelte sogar. Der Mann war Nestor Leed und hatte fast schon solange, wie Haere sich erinnern konnte, für die St. Louis Post-Dispatch über die Politik im Mittelwesten berichtet.
    »Draper«, sagte er. »Mein Gott. So weit ist es mit Ihnen also gekommen – Sie zetteln Revolutionen in Bananenrepubliken an.«
    »Ich doch nicht«, sagte Haere. »Ich bin als Tourist hier. Was, zum Teufel, verstehen Sie denn von Mittelamerika?«
    »Nichts. Absolut nichts. Es ist eine Lehrveranstaltung für mich. Nächsten Monat trete ich in die Geschäftsleitung ein, und da dachten sie, ich könnte ein bißchen Auslandserfahrung brauchen. Ich hatte London vorgeschlagen, aber als das hier losging, haben sie mich hierher verfrachtet – auf die billige Tour.«
    »Sind Sie mit den übrigen geflogen?«
    »Gerade eben so. Wir charterten alle zusammen eine Maschine in Miami. Zuerst wollten sie uns nicht landen lassen, dann besetzten die Rebellen den Flughafen, und deshalb sind wir hier.«
    »Wann haben sie ihn eingenommen – den Flughafen?«
    Leed sah auf seine Uhr. »Etwa vor zwei Stunden. Nachdem wir gelandet waren, hielten sie eine Pressekonferenz ab – das Komitee der Tausend Jahre. Sie behaupten, sie werden morgen früh die ganze Hauptstadt haben. Spätestens mittags. Für einen so zusammengewürfelten Haufen geben sie sich schrecklich zuversichtlich.« Er bot Haere seine Wodkaflasche an. Haere nippte daran und gab sie zurück. Er sagte: »Es sollte eine tolle Story abgeben.«
    Leed schüttelte den Kopf, und Schwermut machte sich auf seinem Gesicht breit. »Wissen Sie, was das Gräßliche an der Geschichte ist, Draper? Es ist mir völlig egal, wer gewinnt. Es ist mir scheißegal. Das ist doch wirklich gräßlich, oder etwa nicht?«
    »Vielleicht wäre London besser gewesen«, sagte Haere.
    Leed nickte. »Ja.
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