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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater
Autoren: P Bordage
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Herbst, und obwohl der alte Mann keine atomare Heizkugel besaß, herrschte in seiner Höhle immer eine angenehme Temperatur.
    »Du musst hungrig und durstig sein«, sagte Artrarak.
    Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand er in einem dahinterliegenden Raum. Jek überkam plötzlich eine unendliche Müdigkeit. Bei seinen Eltern musste er immer
früh zu Bett. Daher war er jetzt richtig benommen und nahm seine Umgebung nur noch verschwommen wahr.
    »Da! Das wird dir wieder Kraft geben. Und die wirst du brauchen, weil du schon vor Tagesanbruch wieder aufbrechen musst. Denn wenn deine Eltern dein Verschwinden bemerken, werden sie sofort die Interlisten benachrichtigen, und die schicken eine Geruchserkennungssonde hinter dir her …«
    Artrarak stellte Jek ein Tablett hin, und der Junge griff automatisch nach einer Tasse. Das heiße, bittere Getränk trieb ihm Tränen in die Augen.
    »Vielleicht könnte ich die Sonde von deiner Fährte ablenken, aber da bin ich mir nicht sicher«, fuhr der Quarantäner fort. »In Sicherheit wirst du erst in der verstrahlten Zone sein …«
    Jek starrte den Alten entsetzt an.
    »Die verstrahlte Zone?«
    »Das ist die einzige Region, die die Interlisten nie betreten, auch die Kreuzler, die Scaythen oder die Pritiv-Söldner nicht! Doch du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du wirst dich dort nur kurze Zeit aufhalten, sodass dir die Strahlung nichts ausmacht. Dreißig Jahrhunderte, das ist ewig, und währenddessen haben unsere Freunde, die Atome, ihre furchtbare Zerstörungskraft verloren …«
    »Aber da kommt man nicht rein … Die magnetische Hochspannungsbarriere …«
    Artrarak lachte. »Die Quarantäner überschreiten diese Grenze jeden Tag zu Hunderten und kehren unbeschadet zurück! Keine Hochspannungsbarriere hindert Ratten zu graben … Und du wirst der erste Anjorianer sein, der diese unterirdischen Wege beschreitet. Das ist eine große Ehre … Und vor allem ist es die einzige Möglichkeit, Ut-Gen unbemerkt
zu verlassen, denn alle Deremats und alle regelmäßig verkehrenden Raumschiffe werden von Aufsichts-Scaythen kontrolliert. Sie können deine Gedanken lesen, als würden sie in einem Buch blättern. Doch von der verbotenen Zone aus gelangst du in die Stadt Glatin-Bat. Dort fragst du nach dem Raumschiff des Dogen Papironda. Der Mann ist zwar ein Plünderer und Halsabschneider, aber wenn du ihm sagst, dass ich dich schicke, wird er dich zum Planeten Franzia bringen, er gehört zum Sternhaufen von Neorop …«
    Gewöhnlich erweckte Artraraks Rede glühende Begeisterung in Jek, doch in dieser Nacht gefror ihm fast das Blut in den Adern. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass der alte Mann in seinen Erzählungen immer nur vom Ziel der Reise gesprochen hatte, aber nie, wie man dorthin gelangte. Jetzt erst ahnte Jek, welche Schwierigkeiten ihn erwarteten. Es war etwa so, als ob er sich eine Zeichnung vorstellte und sich dann an die Ausführung machte. Jeder Strich auf dem Papier schien ihn von dem grandiosen Bild in seiner Phantasie weiter zu entfernen. Ein Abgrund tat sich zwischen Traum und Wirklichkeit auf. Nicht nur, dass er sich in die verseuchte Zone begeben musste, er bekam es auch noch mit einem Verbrecher zu tun, einem dieser Piraten, die skrupellos im Weltraum operierten und von dem P’a At-Skin manchmal voller Entsetzen gesprochen hatte.
    »Auf Franzia gibt es Geheimorganisationen, die Pilger nach Terra Mater transferieren, der Erde allen Ursprungs«, sprach Artrarak weiter. »Dort werden dich Naïa Phykit, Sri Lumpa und der Mahdi Shari von dem Hymlyas den Klang der Stille lehren, denn er allein schützt dich vor der mentalen Inquisition und erlaubt dir, kraft deiner Gedanken zu reisen. Du wirst einer der Krieger der Stille werden, kleiner
Jek, einer der Menschen, der ein neues Zeitalter vorbereiten wird. Ein Krieger der Stille …«
    Die letzten Worte hatte Artrarak mit großer Ehrfurcht ausgesprochen.
    »Das sind doch alles nur Lügen, Legenden!«, rief Jek und stieß wütend seine Tasse zurück.
    »Was ändert das schon?«, entgegnete der Alte gelassen. »Was ziehst du vor? An Legenden zu glauben, oder dich mit einem Leben ohne Hoffnung abzufinden? Ich, für meinen Teil, ziehe die Schönheit der Lügenmärchen gewissen grausamen Wahrheiten vor …«
    »Und warum bleibst du dann hier?«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie gern ich an deiner Stelle wäre«, antwortete der alte Quarantäner mit glühenden Augen und Trauer in der Stimme. »Aber ich muss hier
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