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Tenebra 2 - Dunkle Reise

Tenebra 2 - Dunkle Reise

Titel: Tenebra 2 - Dunkle Reise
Autoren: Dave Luckett
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Tür hinter uns geschlossen wurde. Ein schweigsamer Palastdiener hatte für jeden von uns ein frisches Nachthemd bereitgelegt und brachte Kannen mit warmem Wasser für unsere Waschtische herein. Die Betten waren sogar gelüftet. Meins war weich und bequem, wie ich feststellte, als ich mich darin ausstreckte. Und ich war müde.
    Warum also konnte ich nicht schlafen?
    Vielleicht lag es an Eumas. Wir hatten ihn bei Nathan zurückgelassen, und ich machte mir Sorgen um ihn. Er war kein Politiker, so wenig wie ich. Der Beweis dafür war, dass Nathan aus ihm herausgeholt hatte, was wirklich im Westen geschehen war. Wir hatten eigentlich gehofft, es für uns behalten zu können. Es gab gute Gründe, Silvus' Talent nicht zu erwähnen. Der Hauptgrund war, dass niemand Leute schätzt, die Mana wahrnehmen können.
    Mana ist das Rohmaterial der Magie. Ein Magier braucht es, um seinen Zaubersprüchen Kraft zu verleihen, und es fließt – ich denke, das ist die beste Bezeichnung – aus den Felsen. Aus hohen, kahlen Bergen, Höhlen und Minen, unterirdischen Wasserläufen, die als Quellen aus dem Herzen der Erde sprudeln.
    Silvus konnte Mana wahrnehmen. Er spürte, wenn es ihn umgab. Und damit nicht genug, er konnte Gebrauch davon machen. Silvus de Castro hätte ein Magier sein können, wenn er gewollt hätte. Jeder, der Mana spüren kann, kann auch ein Zauberer sein. Darum sind Menschen, die Mana wahrnehmen können, allgemein unbeliebt. Ein Zauberer ist gefährlich.
    Ich hatte das ungute Gefühl, dass dieser Grames Nathans Magieschnüffler war und die Aufgabe hatte festzustellen, wie gefährlich Silvus für Nathan sein konnte. Ich war nicht sicher, ob es Grund zur Freude oder zur Sorge gab, dass die Antwort lautete: völlig ungefährlich, denn Silvus würde niemals Magie gebrauchen. Er hatte seinem Vater gelobt, es nicht zu tun, und Silvus war ein Mann, der Wort hielt. Nachdem Nathans Vater den Familienbesitz der de Castros beschlagnahmt hatte, war seine Ehre das Einzige, was Silvus geblieben war.
    So war Silvus' Talent für Nathan ungefährlich, und wenn man ihn davon überzeugen konnte, würde er Silvus wahrscheinlich in Ruhe lassen. Aber was konnte Nathan überzeugen? Er vertraute niemandem – das war der Grund, dass er Grames herbeigerufen hatte. Nathan wollte sowohl ihn als auch Silvus prüfen und gebrauchte jeden der beiden, um die magischen Kräfte des jeweils anderen zu prüfen. Es würde nicht einfach sein, ihn zu überzeugen, dass Silvus niemals ein gegebenes Wort bräche. Dass Silvus sich in seinem Denken und Handeln in erster Linie vom Ehrgefühl leiten ließ, würde Nathan niemals verstehen. Unser Fürst war ein Mann, für den ein Ehrenwort wie ein Ei war – man musste es schließlich brechen, sonst würde es nutzlos sein.
    Irgendwie hatte ich aufgehört, mir des getäfelten und abgedunkelten Raumes um mich herum bewusst zu sein, aber meine Gedanken drehten sich noch immer nutzlos im Kreis. In ihnen sah ich Silvus in den rauchgeschwärzten Ruinen der Stadt Ys Ruane gegenüberstehen, unfähig, den verräterischen Grafen niederzustoßen, weil er ihm den Treueid geschworen hatte. »Für Sie ist ein Eid etwas Lebendiges«, hatte Ruane gesagt, und so war es. Es heißt, dass die Toten immer die Wahrheit sagen, wenn sie überhaupt sprechen.
    Endlich schlief ich – und hatte schlimme Träume. Dann kam der Morgen, und ich fand wieder einmal, wie nutzlos es ist, sich zu sorgen und darüber Schlaf einzubüßen, denn ich irrte mich in fast allen Punkten.
    Sie brachten meine und Silvus' Kleider; sie mussten zu unserem Quartier geschickt haben, um sie abzuholen. Dann wurde im Wohnzimmer das Frühstück serviert, und wir setzten uns und aßen. Aber als das feine Silbergeschirr wieder hinausgetragen wurde, kam Grames herein. Es war kein gerechter Tausch.
    Ich beobachtete ihn über den Rand meines Bierkruges hinweg. Er war klein, aber achtsam in seinen Bewegungen, unauffällig gekleidet in der Art eines Handelsmannes, ohne sein langes Gewand. Unbedeutend, nüchtern, glattrasiert. Er lächelte nicht, und das ermutigte mich ein wenig. Allmählich wurde es mir unheimlich, wenn Leute mich anlächelten.
    Auch Silvus beobachtete ihn wachsam, doch musste man ihn gut kennen, um die vorsichtige Wachsamkeit zu bemerken. Er sagte nichts, also schwieg auch ich. Grames nickte respektvoll und stand da, die Hände wie ein Kammerdiener vor sich ineinander gelegt. Trotz seiner unauffälligen Erscheinung hatte seine Anwesenheit eine Art Gewicht. Man
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