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Tempel der Unsterblichen

Tempel der Unsterblichen

Titel: Tempel der Unsterblichen
Autoren: Vampira VA
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Weise, wie das untote Mädchen Zapata mit stierem Blick und offenem Mund betrachtete.
    »Wann ist sie gestorben?« »Sie sagt: schon heute Nacht.«
    »Unter welchen Umständen?«
    »Sie hat sich selbst getötet.«
    »Welch Ungehorsam und welche Vergeudung. Aber ich verstehe immer noch nicht .«
    »Das wirst du, gleich. Wenn sie dir erst erzählt hat, was ich bereits weiß. - Ich dachte mir, du würdest dich gern persönlich darum kümmern. In letzter Zeit warst du wenig draußen an der frischen Luft .«
    *
    Tikal stockte jäh in seinem Lauf. Er war in einen spitzen Stein oder einen Knochen getreten, und den Laut, der aus seiner Kehle fahren wollte, konnte er nur noch ersticken, indem er reflexartig den Unterarm hochriß und gegen den Mund preßte.
    Eine Weile hielt Tikal den Atem an und lauschte furchtsam.
    Der Geschmack des Zinnoberrots, mit dem er seine Haut vor Arbeitsantritt eingefärbt hatte, legte sich ihm metallen auf Zunge und Gaumen, während sein Herz hart bis in den Hals hinein pochte.
    Das Dämmerlicht der nächtlichen Sonne wob Schatten zwischen kniehohem Gras, Dornengestrüpp und den überall verstreut wachsenden, hochstämmigen Ceiba. Nur einen Steinwurf entfernt lag ein kleines Maisfeld, dessen oben abgeknickte Halme ebenso erstarrt in das Tagdunkel ragten wie alles andere auch.
    Nicht das leiseste Lüftchen wehte - aber das kannte Tikal nicht anders. Wind war ihm so fremd wie Sturm. Das einzige, was hin und wieder spürbar die Luft aufrührte, war heftiger Regen oder der Flügelschlag niedrig vorbeifliegender Vögel: hinterlistige Harpyie, Aasgeier oder .
    Seine Gedanken gerannen. Unkontrollierbare Angst schien unter der Farbe, die seine Haut bedeckte, hervorzubrechen, als wollte sie eine Fessel bilden, die Tikals Flucht stoppen sollte.
    Mit geballten Fäusten blickte er zitternd zur nächtlichen Sonne empor. Sie erhörte sein Flehen, sein lautloses Gebet nicht. Sie schenkte ihm auch keine Zuversicht und legitimierte nicht den Frevel, den er im Begriff stand zu begehen .
    Er blickte zum Dorf zurück.
    Vereinzelt hörte er Stimmen aus den Adobehütten schallen. Auch auf den Straßen und Plätzen herrschte reges Treiben wie jeden Tag.
    Tikal setzte sich ins Gras und tastete vorsichtig nach der verletzten Stelle seines Fußes. Ein Dorn hatte sich ins Fleisch gegraben. Tikal nahm sein Messer und entfernte ihn. Das wenige Blut, das herausquoll, würde ihn - so hoffte er wenigstens - nicht verraten.
    Als er fertig war, umwickelte er die Wunde mit einem provisorischen Verband. Dazu schnitt er einen schmalen Streifen von seinem Lendenschurz ab. Bevor er aufstand, warf er noch einmal Blicke in alle Richtungen. Am längsten verweilte er dort, wo sich Palast und Tempel noch weit über die Kronen der heiligen Bäume erhoben.
    Nein, dachte er, die nächtliche Sonne hat noch nie einen der meinen erhört oder beschützt. Sie steht ganz auf Seiten der Tyrannen! Ihre Lieblinge sind die schrecklichen Schönen, die im Palast leben und auf dem Tempel richten .
    Tikal hatte übers Jahr erst seine Eltern, dann seinen Bruder und nun auch noch seine Schwester verloren. Seinem Bruder Becan war das Herz bei lebendigem Leib aus der Brust geschnitten worden - so schnell und mit solcher Raffinesse, daß Tikal fürchtete, Becan könnte noch lange genug bei Bewußtsein gewesen sein, um das Grauen, das er zu Ehren der Tyrannen erleiden mußte, in seiner ganzen Tragweite zu begreifen.
    Becans warmes Herz war von Hand zu Hand gewandert, von Mund zu Mund, und Tikal hatte es fast den Magen umgedreht, als er die dunkle Lust in den Augen der Bestien hatte aufleuchten sehen - ihre Freude am Töten, den Genuß, mit dem sie den abseitigen Trunk in ihre Kehlen fließen ließen. Bis zum allerletzten Tropfen.
    Schon damals waren der Haß und die Verachtung in Tikal angeschwollen wie ein Fluß nach starkem Regen, und nun, nachdem ihn auch noch Viejo verlassen hatte, gab es kein Halten mehr!
    Der Wall, der die Bewohner der Stadt und des umliegenden Landes zu Gefangenen machte, war die für jeden sichtbar gezogene Grenze, hinter der das Unbekannte begann.
    Vielleicht endete dort die Welt auch ganz einfach. Vielleicht begann jenseits davon das Große Nichts oder ein von Ungeheuern bewohnter Sumpf ...
    Tikal schauderte. Kein Ungeheuer, versuchte er sich Mut zuzusprechen, konnte schlimmer sein als SIE.
    Niemand wußte, wie alt die Herrscher waren und wie weit ihr Regime der Unterdrückung in die Vergangenheit zurückreichte. Die verrinnenden haab 1
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