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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen
Autoren: Juliane Kobjolke
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aufzuckenden
Blitzen erhellt, ganz als würde meinem Hirn eine Fotografie nach der anderen präsentiert.
Mal ist es eine Miene im Freudentaumel, mal ein Erschöpfter, der sich den Schweiß
von der Stirn wischt. Mal ist es ein Kuss zwischen zweien, die sich gefunden haben,
mal eine Umarmung unter Freunden. Der Lärm wird ohrenbetäubend, und im abrupten
Wechsel von Licht und Dunkelheit spielt mein Verstand mir alsbald Streiche, die
mich blinzeln und überlegen lassen, ob das alles real ist.
    Mit einem weiteren Blinzeln falle
ich durch dichten Nebel hinab auf Watte. Ein Seufzen steigt aus meiner Brust auf,
erklimmt meine Kehle und verlässt meinen Mund. Meine Hände schließen sich um einen
Nacken, meine Stirn liegt an einer Schulter. Ich halte die Augen geschlossen, atme
tief ein und lächle, weil mir der Duft so gut gefällt, weil mich das Gefühl, gehalten
zu werden, so vereinnahmt. Ich will nicht gehen lassen.
    Lukas?
    Ich sehe auf und weiche zurück,
als ich nicht das beruhigende Grün von Lukas’ Augen vor mir habe, sondern die wilde,
blaue See, die in Christophs Blick tobt.
    »Du bist ohnmächtig geworden«, ruft
er, um den Lärm des Karnevals zu übertönen, und lässt mich los.
    »Ich bin was?«, stottere ich.
    Das ist mir noch nie passiert. Ich,
ohnmächtig? Na, aber hallo! Eben war ich doch … Was war eben gleich noch mal? Du
meine Güte!
    »Das ist hier nicht ungewöhnlich.
Zu wenig Sauerstoff in den Massen und zu viele Eindrücke. Sollen wir zum Hotel zurück?«
    Als ich nicke, nimmt er mich abermals
bei der Hand und führt mich aus dem Gedränge.
    Auf dem Gang, an dessen entgegengesetzten
Enden unsere Zimmer liegen, wünschen wir uns eine Gute Nacht. Alle fünf Schritte
wende ich mich nach Christoph um. Ich vermisse die Wärme seiner Hand, seine Nähe.
Ich vermisse das Gefühl seines Körpers unter meinen Fingern, den ich für die Dauer
meiner Rückkehr aus der Ohnmacht zu spüren bekam. Mit jedem Schritt, den wir uns
voneinander entfernen, erscheint es mir verkehrter.
    Bei meinem Zimmer angelangt, drehe
ich mich ein letztes Mal um und sehe, dass er im Gang steht und ebenfalls zu mir
schaut. Er lächelt, hebt die Hand zum Gruß und geht zu seiner Tür, um sie aufzuschließen.
     
    Der letzte Ausflug führt auf Trikes, jenen berüchtigten motorisierten
Dreirädern, in den Nordwesten der Insel. Nina und Markus haben sich entschlossen,
mich und Christoph zu begleiten, und ebenfalls ein Fahrzeug gemietet.
    Von Las Américas fahren wir auf
einer schmalen Küstenstraße in Richtung Playa de San Juan und gelangen nach Santiago
de Teide, einer Gemeinschaft von mehreren Urlaubsorten, die wie so einige der Touristikzentren
einst nicht mehr als ein Fischerdorf war. Hier befinden sich die Klippen der Riesen,
besser bekannt als Acantilados de Los Gigantes – schwarze Felswände, die 500 Meter
senkrecht in den Atlantik abfallen. Christoph erzählt uns von dem Tauchspot in der
Bucht und einem Tauchwettbewerb, der hier jährlich abgehalten wird.
    Hinter Santiago del Teide gabelt
sich die Straße. Bei einem Stopp an einer Tankstelle macht mich Christoph auf das
vor uns liegende Tenogebirge aufmerksam sowie auf eine sich durch das Grün und Grau
windende, steil ansteigende Linie.
    »Was ist das?«, frage ich und setze
die Sonnenbrille ab, in der Hoffnung, ohne sie besser sehen zu können. »Doch nicht
etwa ein Wanderpfad?«
    »Nein, Engelchen. Das ist unsere
Straße«, sagt Christoph mit einigem Amüsement und nimmt seinen Helm ab, um einen
Mann an der Zapfsäule etwas auf Spanisch zu fragen. Der Spanier antwortet und Christoph
bedankt sich.
    »Wie meinst du das, unsere Straße?«
Mit einem Nicken weise ich zur schönen breiten, absolut unaufregenden Landstraße.
»Ich dachte, das wäre unsere Straße?«
    »Die Strecke ist so langweilig,
ich würde beim Fahren einschlafen.«
    »Ich habe Höhenangst. Ich werde
die ganze Zeit schreien«, drohe ich ihm im Spaß, doch er lacht nur weiter.
    »Schrei ruhig! So weiß ich, dass
du noch da bist.«
    Als Nina und Markus aus dem Shop
der Tankstelle kommen, steigen wir auf unser Trike.
    »Was hast du den Spanier gefragt?«,
erkundige ich mich und setze meinen Helm auf.
    »Um welche Uhrzeit der Linienbus
von Masca fährt.« Über die Schulter schickt er mir ein neues Grinsen, das mich auf
Schlimmes vorbereitet. »Wir wollen so wenig wie möglich Gegenverkehr auf dieser
Strecke und vor allem die Begegnung mit dem Bus vermeiden.«
    Als Nina die Serpentinen entdeckt,
ruft sie: »Hey,
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