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Tanz des Lebens

Tanz des Lebens

Titel: Tanz des Lebens
Autoren: Bianca Balcaen
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klagend davontrugen, um sie andernorts wieder auszusetzen. Sehr zum Missfallen von Mike sah man die Arbeiter dann bis zum nächsten Tag nicht wieder – sie verbrachten den Rest des Arbeitstages im Tempel, um für die Würmer zu beten. In solchen Fällen, die durchaus nicht selten vorkamen, arbeitete Shiva doppelt so schnell.
    Zwischendurch bemühte sie sich, Mike Conners die ihm manchmal recht seltsam anmutenden Sitten und den okkulten Geisterglauben ihres Volkes näherzubringen. Zudem kümmerte sie sich in den ersten zwei Lebensjahren, die Faye in Burma verbrachte, rührend um sie. Für Faye war Shiva wie eine leibliche Mutter gewesen, der sie bedingungslos vertraute.
    Während ihre leibliche Mutter es vorzog, durch die Welt zu reisen und Interviews zu ihrem sagenhaften archäologischen Fund zu geben, katalogisierte Shiva seelenruhig die Fundstücke der Ausgrabungen, während das Baby in einem Wickeltuch auf ihrem Rücken zufrieden vor sich hinbrabbelte. Als Mike seiner Tochter bei einer Magenverstimmung ein schweres Medikament hatte geben wollen, hielt sie ihn im letzten Augenblick davon ab.
    Stattdessen ging sie zum Irrawaddy-River, braute von den dort gesammelten Kräutern einen Tee, der dem Baby sofort half, und setzte Mike kurzangebunden davon in Kenntnis, dass sie eine weiße Hexe war, die heilende Kräfte besaß. Als Burma von der Militärjunta geschlossen wurde, lud Mike Conners sie ein, ihn nach Monterey zu begleiten. Dort hatte man ihm eine Stelle als Universitätsdozent angeboten. Seitdem war sie seine Assistentin und eine mütterliche Freundin für Faye, die sie nicht missen wollte.
    Die 45 Jahre sah man Shiva Moon immer noch nicht an, sie hatte sich kein bisschen verändert, wie Faye jetzt bewundernd feststellte. Ihr leuchtend rotes Haar fiel ihr bis über die Taille. Ihren schlanker Körper umschmiegte ein schwarzes Sommerkleid und an ihren Armen klirrten bei jeder Bewegung kleine Glöckchen, die an den unzähligen Amuletten und Ketten von ihrer Brust baumelten. »Setz dich«, sagte Shiva. »Und dann erzähl mir, was dich bedrückt.«
    Dieser simple Satz von Shiva brachte die Dämme in Fayes Innerem zum Einstürzen. Wie ein Wasserfall sprudelten die Vorkommnisse der letzten Nacht aus ihr heraus. Stockend gestand sie, dass Lukes Probleme vor ungefähr drei Wochen begonnen hatten, als er nachts aufgewacht war, weil er das Gefühl hatte, von irgendetwas gebissen worden zu sein.
    »Seit welchem Tag genau?«, hakte Shiva nach, ohne den Sinn der Geschichte in Frage zu stellen.
    »Oh, das weiß Luke noch ganz genau, weil wir als Kinder immer Ärger bekamen, wenn wir diesen Tag vergaßen. Es passierte in der Nacht zum 19. – Moms Geburtstag.«
    Es war nur ein ganz kurzes, erschrockenes Aufflackern in Shivas Augen, das sie sofort zu unterdrücken versuchte, indem sie ihr nachdenklich mit einem Fingerzeig signalisierte, weiterzuerzählen. Als Faye geendet hatte, blickte sie die mütterliche Freundin verzagt an. »Bitte Shiva… Kannst du Luke helfen?«, flüsterte sie hoffnungsvoll.
    Im ganzen Haus wurde es plötzlich still. Das Teelicht im Stövchen verlosch, die gläserne Teekanne hörte abrupt auf zu gurgeln und die antike Wanduhr über dem Kamin hörte auf zu ticken. Es war, als ob die Welt durch ihre Frage verstummt wäre. Im Spiegel, der über dem wuchtigen Samtsofa hing, blickte Faye ihr eigenes blasses Gesicht entgegen. Ihr war eiskalt. Ein Zittern ging durch ihren schmalen Körper und sie fürchtete, aus Angst um Luke den Verstand zu verlieren.
    Shiva hüllte sich in Schweigen. Ihr Gesichtsausdruck war ernst. Langsam schob sie ihre Hand in das Gewirr ihrer vielen Ketten auf der Brust und berührte eines der ornamentalen Amulette. Die Luft im Zimmer duftete nach exotischen Kräutern. Von irgendwoher hörte Faye das Flügelschlagen von Vögeln. Durch das blumenumrankte Fenster sah sie den Pazifik.
    »Liebes, es tut mir leid«, sagte Shiva in die Stille hinein und räusperte sich. Faye unterdrückte einen Entsetzensschrei, als sie den Ausdruck in Shivas Gesicht sah: Angst und tiefe Besorgnis waren darin zu lesen.
    »Ich fürchte, bei diesem Problem kann ich euch diesmal nicht helfen. Dagegen sind meine magischen Fähigkeiten machtlos. Aber ich kenne jemanden, der sich damit auskennt.«
    Mit einer raschen Bewegung riss sie ein Blatt aus einem Notizblock und kritzelte darauf aus dem Gedächtnis einen Namen und eine Straße, bevor sie es Faye reichte. »Geht am besten heute noch zum asiatischen Viertel, es
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