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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken
Autoren: Donald Harrington
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seiner Bekehrung, seinem neuen Glauben und seinen Plänen, ihn zu predigen. Tish lacht, vielleicht bei der Vorstellung, ihn predigen zu sehen. Immerhin tut es gut, sie lachen zu hören.
    Aber jetzt registrieren seine Schwanzreifen ein Geräusch, das er nicht mehr gehört hat, seit er sein Gehör verloren hat: den Motor eines Automobils. Er rennt auf die vordere Veranda hinaus und sieht, wie ein Wagen vorfährt. Die Beifahrertür geht auf, und Sharon steigt aus, und bevor Sie die Tür schließt, spricht Sie noch längere Zeit mit dem Fahrer, aber Ihre Stimme ist zu weit entfernt, als daß Sam sie hören könnte. Ebensowenig kann er den Fahrer sehen. Sharon macht die Tür zu. Das Automobil fährt davon. Sharon dreht sich um und geht auf Ihr Haus zu. Sie betritt die Treppe. Junker Sam stürzt zurück in Ihr Schlafzimmer, während er sich ermahnt, um jeden Preis Ruhe zu bewahren. Werd nicht panisch, sagt er mehr als einmal zu sich selbst. Denk lieber nach, sagt er sich. Denk nach! Denk nach! Es muß irgendeinen Weg geben, die Frau von Ihrem Badezimmer fernzuhalten oder Sie davon abzuhalten, die Toilettenspülung zu betätigen.
    Die Frau betritt Ihr Schlafzimmer. Sie wirft sich auf Ihr Bett und bleibt dort einfach mit dem Gesicht nach unten liegen. Aus seiner ungünstigen Perspektive kann Sam Ihr Gesicht nicht sehen. Sind Ihre Augen geschlossen? Lange Zeit schwenkt er seine Schnüffelruten hin und her und versucht, Ihren Schlafgeruch auszumachen. Es ist keiner wahrzunehmen. Weint die Frau still vor sich hin? Ist der Mann schließlich doch verwestert? Ist Sharon allein auf dieser Welt? Geraume Zeit, oder eher nicht, da die Zeit stillsteht und die Uhr schweigend und verwestert auf dem Kaminsims hockt, kommt keine Bewegung und kein Laut von der Frau.
    Sam macht sich daran, die Überdecke zu erklimmen. Er wird nicht zulassen, daß Sie ihn sieht, aber er will so nahe wie möglich an Sie herankommen. Er will Ihr wunderschönes Gesicht sehen, herausfinden, ob Sie betrübt ist, ob Sie den Westen des Mannes betrauert. Ja, Ihre Augen sind offen, aber Sie blickt nicht ihn oder irgend etwas an, sondern schaut einfach nur in die Richtung des Kamins, sieht den Kamin jedoch nicht an, sondern durch ihn hindurch. Sam kann nicht sagen, ob sich Kummer oder gar Traurigkeit in ihrem Gesicht ausdrückt. Sie sieht nur müde, sehr müde aus. »Schlaf doch«, sagt er zu Ihr. »Warum schläfst du nicht?«
    Wenn Sie nur einschlafen würde, hätte er eine Gnadenfrist, um einen letzten Rettungsversuch für Tish zu unternehmen. Sam hat beschlossen, mit ihr zu gehen, wenn er Tish nicht davor bewahren kann, fortgespült zu werden. Selbst wenn diese Reise sie zum Westen und Verderben in einen unterirdischen Abwassertank führt, wird er sie dieses letzte Mal begleiten. Falls es die Chance gibt, daß das Rohr nicht zu einem geschlossenen Abwassertank, sondern zu einer offenen Senkgrube oder sogar einen Bach führt, könnte es sein, daß Tish überlebt, falls er bei ihr ist, um ihr zu helfen und sie zu führen. Aber während seiner vielen Spaziergänge und Wanderungen in der Nähe des Parthenon hat er nie irgendein Loch gesehen, das der Abfluß des Abwasserrohrs sein könnte, also führt der Abfluß wahrscheinlich in einen Tank. Wahrscheinlich würden er und Tish beide ertrinken, bevor sie den Tank erreichten. Aber was immer Tishs Schicksal sein wird, es soll auch das seine sein.
    Die Frau liegt ausgestreckt auf dem Bett und starrt ins Leere. Wenn Sie noch etwas länger bleibt, wird Sie unweigerlich irgendwann aufstehen und ins Badezimmer gehen müssen. Während er diesen Gedanken denkt, bewegt sich Sharon. Sie dreht sich um, richtet Ihren Oberkörper auf und setzt sich hin. Aber Sie steht nicht auf. Auf dem Bettrand sitzend greift Sie nach dem Telefon, hält sich den Hörer ans Ohr und lauscht einen langen Moment, dann steckt Sie Ihren Finger in die Wählscheibe und dreht sie, dann wieder, mehrere Male.
    »Omi«, sagt Sharon, »ich bin wieder zu Hause. Ja. Vernon hat mich vom Flugplatz abgeholt. Geht's dir gut? Wie lange bin ich weg gewesen? Ich hätte dich von Little Rock aus angerufen, aber Vernon sagte, er würde mit dir sprechen. Das stimmt. Ja. Eh-hmm. Ja. Uh-häh. Nein, das hat er nicht. Das war vorher. Freitag nachmittag wahrscheinlich, sagen sie. Das hoffe ich. Welcher Tag ist heute? Was? Himmel, Omi, bist du sicher? Es scheint, als wäre die Zeit stehengeblieben. Einfach völlig stehengeblieben. Ich schau mal. Ja, sie zeigt acht Uhr an,
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