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Talivan (German Edition)

Talivan (German Edition)

Titel: Talivan (German Edition)
Autoren: Andrea Tillmanns
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niemals mehr eintr e ten können, und dabei so viel Schuld auf mich geladen, dass selbst Sorkan erzürnt genug war, um mir das Wic h tigste in meinem Leben zu nehmen. Und, was das Schlimmste ist, ich werde meine Tat, so sehr ich sie auch bereue, nie wieder rückgängig machen können. Ein anderer Mensch ist an meiner Stelle gestorben, weil ich mein ve r fluchtes Leben b e halten wollte!“
    Er schien so von Zweifeln und Hass auf sich selbst ze r rissen, dass sie nur noch Mitleid für ihn empfinden konnte. Nein, sie würde ihn nicht mehr hassen, er hatte genug g e litten. Sie wusste nicht, wie es sein mochte, einen anderen Menschen zu töten, konnte sich aber die quälenden G e danken vorstellen, die Nacht für Nacht durch seine Träume spuken mussten und ihn selbst am Tage nicht losließen. Aus einem Reflex heraus griff sie nach seiner Hand, auf die einzelne Tränen aus versteinerten Augen tropften. Er nahm ihren Trost für einen kurzen Moment an, bevor er seine Hand zurückzog, sich heftig schnäuzte, aufrichtete und zum Gehen anschickte.
     
    „Ich habe von dir geträumt“, waren die ersten Worte, die Egodow am nächsten Morgen, nach einem ereignislosen Tag, an sie richtete. Verwundert sah sie auf. Von diesem Mann hätte sie nicht erwartet, dass er Träumen Glauben schenkte, wurde nun aber eines Besseren belehrt, als er r u hig fortfuhr: „Ich weiß zwar nicht, wer du bist und was du wirklich willst, wenn du mir aber Talivan nimmst, das einzige, was mir noch g e blieben ist, dann wisse, ich werde dich finden und mein Eigentum zurückholen.“
    Sinja sah ihn erschrocken an. Woher konnte er von ihren Plänen wissen? Sie selber hatte in dieser Nacht nicht von dem Schwert geträumt. So gab sie zurück: „Mir sagte mein gestriger Traum, dass ich dir Talivan nicht nehmen dürfe, jedoch selbst auch ein Anrecht auf die Waffe habe.“
    Egodow sah sie mit plötzlicher Hoffnung an, die jedoch schnell einer tiefen Trauer wich.
    „So lass uns nicht mehr darüber reden“, sagte er. „Ich weiß nicht, warum dein Traum dir solches verheißen hat, aber Talivan gehört niemandem, nicht einmal mir. Sie ist mir e i ne treue Begleiterin, die ich nie aus den Händen lassen würde, und ich wüsste nicht, welchen Anspruch du auf sie haben solltest. Gehörte sie auch zu dir, so könnten wir nicht hier sitzen und reden, es wäre unmöglich.“
    Da er nicht willens schien, seine Bemerkung näher zu e r klären, schwiegen sie beide während ihres Frühstücks und auch noch danach, bis sie sich einer kleineren Stadt näherten. Diesmal hatte der Mann keine Einwände, als Si n ja sich erbot, die Waren an seiner Stelle zu verkaufen, und anschließend, als sie sich auf der westlichen Seite der Ortschaft wieder trafen, lagen auf dem Wagen nur noch wenige Stoffe und Gewürze, dafür viele kleine Beutel mit Silber- oder Kupfermünzen. Wenn Sinja jedoch auf ein Lächeln des Mannes g e hofft hatte, sah sie sich getäuscht – fast wirkte er, als breche gerade sein gesamtes Leben lan g sam und unausweichlich z u sammen. Wenn er ihrem Traum geglaubt hatte, musste auch er sich nun fragen, welche Verbindung zwischen ihnen b e stehen könnte. Sie selbst kannte dieses Gefühl von ihrem ersten Zusammentreffen mit Egodow, fühlte sich deswegen auch noch manchmal beunruhigt, und dennoch musste er weit mehr darunter le i den, seiner Miene nach zu urteilen. Die Verbindung, nach der sie suchten, ohne jedoch ihre Geschichte dem anderen völlig mitzuteilen, musste das Schwert sein, für das sie o f fenbar beide fast alles tun würden. Nur nicht ihn töten, dachte sie. Und doch kann ich es nicht einfach au f geben, ohne wenigstens den Sinn meiner Reise e r fahren zu haben.
    Bei ihrem gemeinsamen Abendessen versuchte sie, ihn zu überzeugen, das Geheimnis Talivans, so er es kannte, prei s zugeben, aber er weigerte sich noch immer. So blieb Sinja nichts anderes übrig, als den nächsten Tag abz u warten, der sie nach Jhalia bringen würde, und dort zu ve r suchen, aus den Gerüchten über Egodow, die sicher existierten, mehr zu erfahren. Als der Mann sie be i läufig fragte, ob sie nicht direkt nach Fjedor reiten wolle, gab sie zurück, das könne noch ein paar Tage warten, während derer sie sich Jhalia ansehen wolle – ihr blieb nicht mehr viel Zeit, aber sie war voller Hoffnung, ihr Ziel noch zu e r reichen.
    Weshalb auch immer Egodow bereit gewesen war, ihr in seinem großen, aber wahrscheinlich aus Geldnot äuße r lich recht ungepflegten Haus ein Zimmer
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