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Tal der Träume

Tal der Träume

Titel: Tal der Träume
Autoren: Patricia Shaw
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die steilen Wände stürzen würden. Das Erforschen der Schlucht hatte sich zu einem Spiel entwickelt, doch Numinga wollte nichts damit zu tun haben. Er war ein Mann vom Fluss, im Flachland geboren, und fürchtete sich vor großen Höhen.
    Eines Tages war das Echo einer Stimme aus der Tiefe erklungen, und Djarama hatte, ohne zu überlegen, von seinem Lieblingsplatz aus geantwortet.
    »Hallo!«, hatte er gerufen, ein Wort der Weißen, und sich gefreut, als auch seine Stimme von den Klippen widerhallte. Dann hörte er den Buschruf »Coo-ee« und antwortete auf gleiche Weise, wie man es ihm in der Missionsstation beigebracht hatte, worauf Mimimiadie vor Wut tobte.
    Er zischte dem Jungen zu, er solle den Mund halten und wieder heraufkommen. Als Djarama festen Boden unter den Füßen spürte, schlug ihn der Anführer mit einem schweren Stock.
    »Du Narr«, brüllte er und prügelte erneut auf den Jungen ein, der sich am Boden krümmte. »Soll die ganze Welt erfahren, dass wir hier oben sind? Das sind weiße Männer! Willst du sie etwa hierher einladen?«
    »Sie kommen nicht herauf«, schrie Djarama und versuchte, den Schlägen zu entkommen.
    »Wenn wir es können, schaffen sie es auch, du Idiot!«
    Selbstverständlich hatte Mimimiadie Recht, doch Djarama nahm ihm den Angriff übel. Während Numinga seine Wunden verband, säte er verstohlen jene Zwietracht, die den Jungen eines Tages von seinen Helden trennen sollte. Er träufelte einen beißenden Pflanzensaft hinein, der den Schmerz verlängern würde.
     
    Die Leere ihres Lebens fern von ihren Familien quälte Djarama. Tag für Tag hatten sie hier oben gesessen, die Wolken beobachtet, die sich in der Ferne zusammenballten, sich auf den großen Regen gefreut, sich damit begnügt, monatelang in diesem Versteck zu verweilen. Obgleich sie dem Himmel so nahe waren, reflektierten die Felsen die glühende Hitze, es gab keine Möglichkeit, sich abzukühlen. Die Luft war reglos, stickig, und alle waren gereizt, zankten bei der Jagd und der Aufteilung der Beute. Er war zornig. Sie taten Frauenarbeit, sammelten das Wenige, was auf dem Boden zu finden war, weniger, als ein Kind zusammentragen konnte. Selbst in der Mission hatten sie nicht nur von Fleisch gelebt, und dennoch behaupteten diese Männer, es sei gutes Land. Numinga brachte als Einziger gelegentlich essbare Beeren, Schoten und Buschäpfel mit, doch es reichte nie, und man schickte den Jungen und den alten Mann weiter hinaus. Djarama ließ sich nicht gern Befehle erteilen.
    Eines Morgens geschah jedoch etwas Interessantes. In der Ferne entdeckten sie eine Staubwolke, die sich über die Ebene bewegte, und wussten sofort den Grund: Weiße Männer, die eine Viehherde trieben. Sie genossen den Blick aus der Vogelperspektive und sahen die Tiere näher kommen.
    »Große Herde«, bemerkte Numinga. »Die größte, die ich seit langem gesehen habe.«
    »Große Herde«, verkündete Mimimiadie, als habe er Numingas Worte nicht gehört. »Und sie kommt genau durch unsere Schlucht.«
    Sie beobachteten lange die Treiber, bis diese die Leittiere vor den Eingang der Schlucht lenkten. Die Reiter und zahllosen Rinder sahen winzig klein aus.
    »Wir könnten von hier auf sie runterspucken«, meinte Mimimiadie lachend. Numinga schaute hinüber zu den grauen Wolken, die langsam von der Küste herüberschwammen.
    »Bald kommt der Regen mit den großen Wasserfällen«, sagte er. »Und sie wissen Bescheid. Seht nur, wie schnell sie die Tiere vorantreiben. Es wird mehr als einen Tag dauern, bis die ganze Herde durchgezogen ist.«
    Djarama sprang aufgeregt hoch und ahmte einen Regentanz nach. »Lasst es jetzt regnen! Lasst die Fluten kommen! Ertränkt sie alle miteinander!«
    Niemand schenkte ihm Beachtung. Sie wussten, die Weißen waren zu klug, um in diese Falle zu tappen.
    Doch dann hatte Djarama eine bessere Idee. »Schnell. Wir suchen Steine. Wir könnten sie mit Steinen bewerfen, mit Hunderten von Steinen, und dem Vieh die Köpfe einschlagen! Das führt zu einer großen Panik, die Hälfte könnte dabei sterben. Warum nicht? Rasch!«
    Mimimiadie sah sich mürrisch um. »Halt doch den Mund! Ich habe dir bereits gesagt, dass wir hier sicher sind. Mit einer Panik töten wir ein paar Rinder, vielleicht auch einige Treiber. Und dann? Sie kommen mit ihren Gewehren herauf. Was machen wir dann? Wir können nicht umkehren, und weiter kommen wir auch nicht. Die Flüsse vor uns werden ebenfalls über die Ufer treten.«
    Doch sein Gefährte Gopiny war
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