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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel
Autoren: Noemi Jordan
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abholen. Wahrscheinlich schlug sein Puls noch nicht einmal schneller als sonst.
    Diesmal, das schwor Maja sich, würde sie gelassen und souverän bleiben. Sie würde keine Gefühle offenbaren. Sie würde sich nicht lächerlich machen. Das Geheimnis in ihrem Bauch war einzig und allein ihre Angelegenheit, und so würde es auch in Zukunft bleiben. Sie tastete in der Tasche nach ihrem Fotoapparat. Eins ihrer Ziele für diese Reise war eine genaue Dokumentation. Eines Tages, wenn ihr Kind alt genug sein würde, könnte sie Beweise brauchen für diese seltsame Liebesgeschichte mit einem Mann am Ende der Welt.
    In dem Moment, als Maja stehen blieb, um das erste Foto von ihrem Kindsvater zu machen, hörte Keanu auf, sich zu unterhalten. Es war, als ob er ihre Absicht spürte. Das Lächeln, das sie mit ihrem Fotoapparat einfing, war traurig und froh zugleich. Dann kam er schon auf sie zugelaufen. Wie unglaublich gut er aussieht, dachte sie, als sie den Fotoapparat wegsteckte.
    »Hallo, schön dich zu sehen!«
    Sie streckte ihm ebenso unverbindlich ihre Hand zur Begrüßung entgegen. Er sollte noch nicht einmal auf die Idee kommen, sie auf die Wange zu küssen.
    »Hi! Nett, dass du gekommen bist, um mich abzuholen. Danke. Einen schönen Gruß von meinem Vater. Er kann leider erst in drei Tagen nach Kauai kommen.«
    Er nickte lächelnd, ignorierte ihre Hand und nahm ihre Reisetasche.
    »Der Dank ist auf meiner Seite. Ich bin froh, wenn die Sache mit eurem Grundstück gut abläuft. Es hat hier ganz schön für Wirbel gesorgt … Erinnerst du dich an Sharkman in Nizza?«
    Maja nickte. Sie spürte, wie ihr Nacken sich versteifte. Die Erinnerung an das Erlebnis in der Parkgarage war immer noch nicht ganz verarbeitet.
    »Der Kampf der Immobilienspekulanten geht weiter, aber Sharkman selbst sitzt momentan auf dem Festland im Untersuchungsgefängnis. Unsere Freunde haben das veranlasst. Und seine Auftraggeber haben wohl auch Angst bekommen. Es gab einen Skandal wegen undurchsichtiger Immobiliengeschäfte und jetzt gibt es eine ausführliche Untersuchung. Diese Runde ging also an uns. Wir Einheimischen haben in diesem Jahr auf dem Hibiskus-Ball etwas zu feiern, obwohl es nur ein kurzer Triumph sein wird. Dadurch, dass er ein direkter Nachkomme von Elisa Vogel ist, hat Sharkman gewisse Rechte … Er wird innerhalb weniger Monate erneut freikommen, da bin ich mir sicher!«
    Sie folgte ihm durch den kleinen Flughafen hinaus auf den Parkplatz, wo er einen Jeep aufsperrte, der schon bessere Tage hinter sich hatte. Aufkleber zeugten von Keanus politischem Engagement für sein Volk. Maja zögerte, bevor sie einstieg.
    »Wie genau ist Sharkman mit Elisa verwandt?«
    »Seine Linie geht zurück zu Elisas erstgeborener Tochter Victoria. In Elisas Tagebuch steht, Victorias einzige Tochter Hannah, geboren 1928, sei kurz nach dem Angriff auf Pearl Harbour als junges Mädchen von einem verrückt gewordenen Marinesodaten vergewaltigt worden.«
    Maja lächelte mit einem Mal weich.
    »Dann kamen Mutter und Tochter wieder zusammen?«
    »Ja, lange waren sie sich spinnefeind. Doch nach dem Krieg wohnten sie wegen Hannah sogar für einige Jahre zusammen. Sharkman war das einzige Kind von Hannah, dem Unglücksmädchen, wie sie allgemein genannt wurde, weil sie nie wieder ein einziges Wort sprach. Sharkman hat genau genommen keinen Tropfen hawaiisches Blut. Aber er verbrachte Jahre bei seiner Urgroßmutter Elisa und lernte viel von ihr, angeblich auch Heilkunst und sogar Magie. Doch nach Elisas Verschwinden wurde er zum zweihundertprozentigen Amerikaner, keiner weiß genau warum …
    »Dann muss Sharkman jetzt schon in seinen Sechzigern sein?«
    Maja war erstaunt, denn sie hatte ihren Angreifer für sehr viel jünger gehalten. Keanu nickte.
    »Er müsste ungefähr so alt wie dein Vater sein.«
    Keanu hielt ihr die Autotüre auf. Maja konnte sehen, dass er zumindest ihre Beifahrerseite von Büchern freigeräumt und seinen Wagen frisch gesaugt hatte. Lächelnd deutete er auf die Zeichen der üblichen Autovermieter, die außen an dem Gebäude Werbung machten.
    »Ich habe natürlich einen Leihwagen für dich reserviert, aber hier am Flughafen ist alles in der Hand der Amerikaner. Und du willst doch sicher unsere Ziele unterstützen, oder?«
    Sein Lächeln war so strahlend wie die Sonne. Maja konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln, als sie die Blumenkette berührte, die auf ihrem Sitz lag.
    »Ein Lei…«
    »Aloha, willkommen auf Kauai!«
    Vier Monate,
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