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Tagebuch für Nikolas

Tagebuch für Nikolas

Titel: Tagebuch für Nikolas
Autoren: James Patterson
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spürte seine Zunge kaum.
    Ich lag auf dem Rücken und presste die Hand auf die Brust.
    Das Herz? Mein Gott. Ich war doch erst fünfunddreißig-
    »Holt einen Krankenwagen!«, rief jemand. »Sie hat Schmerzen, sie kriegt keine Luft mehr! Mein Gott, sie stirbt!«
    Ich sterbe nicht!, wollte ich rufen. Ich kann unmöglich jetzt schon sterben!
    In diesem Augenblick, erinnere ich mich, habe ich nach einem Stein gegriffen, der neben mir im Schmutz lag. Halt dich an dem Stein fest, sagte ich mir, halt dich ganz fest. Ich glaubte, dass der Stein in diesem Furcht erregenden Moment das Einzige war, das mich auf der Erde festhielt. Ich wollte nach meinem Freund Michael rufen, aber ich wusste, es würde nichts nützen.
    Ich muss für mehrere Minuten das Bewusstsein verloren haben, denn ich weiß noch, dass ich zu mir kam, als ich in einen Krankenwagen gehoben wurde. Mir strömten die Tränen übers Gesicht. Mein Körper war schweißnass.
    Die Sanitäterin sagte immer wieder: »Es geht Ihnen bald wieder besser. Es wird alles wieder gut.« Aber ich wusste, dass es nicht so war.
    Ich schaute die Leute im Rettungswagen mit aller Kraft an, die ich aufbringen konnte, und flüsterte: »Lassen Sie mich nicht sterben.«
    Die ganze Zeit hielt ich den kleinen Stein fest in meiner Hand. Dann weiß ich nur noch, dass mir eine Sauerstoffmaske übers Gesicht gestülpt wurde und dass sich eine tödliche Schwäche in meinem Körper ausbreitete und dass der Stein, der mich auf der Erde halten sollte, mir aus der Hand fiel.
    Ich war erst fünfunddreißig, Nicky,
    als ich in Boston den Herzanfall bekam. Am nächsten Tag wurde mir im Massachusetts General ein Bypass gelegt. Der Eingriff zog mich für fast zwei Monate aus dem Verkehr und legte mich lahm. Später, während ich mich erholte, hatte ich Zeit nachzudenken, wirklich und richtig nachzudenken, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben.
    Ich dachte gründlich über mein Leben in Boston nach, schmerzhaft gründlich: wie hektisch es geworden war mit Nachtdiensten, Überstunden und Doppelschichten. Überarbeitung, Nicky. Ich dachte daran, wie ich mich gefühlt hatte, kurz bevor diese schreckliche Sache passierte. Ich setzte mich auch mit meiner eigenen Abwehrhaltung auseinander. Meine Großmutter war an Herzversagen gestorben. Es gab eine ganze Reihe von Herzkranken in unserer Familiengeschichte. Und trotzdem war ich nicht so vorsichtig gewesen, wie ich hätte sein sollen.
    Es war während der Zeit meiner Genesung, dass ein befreundeter Arzt mir die Geschichte von den fünf Kugeln erzählte. Du solltest sie nie vergessen, Nicky. Sie ist sehr wichtig.
    Sie geht so:
    Stell dir vor, dass das Leben ein Spiel ist, in dem du fünf Kugeln jonglierst. Diese Kugeln heißen Arbeit, Familie, Gesundheit, Freunde und Rechtschaffenheit. Und du hältst sie alle in der Hand. Aber eines Tages begreifst du, dass die Arbeit ein Gummiball ist. Wenn du ihn fallen lässt, springt er wieder hoch. Die anderen vier Kugeln - Familie, Gesundheit, Freunde und Rechtschaffenheit - sind aus Glas. Wenn du eine von diesen Kugeln fallen lässt, wird sie unwiderruflich beschädigt, zerspringt vielleicht sogar in tausend Stücke. Und selbst wenn sie nicht zerspringt - sie wird nie mehr so sein wie früher. Wenn du die Lektion der fünf Kugeln erst einmal verstanden hast, hast du den Anfang für ein ausgeglichenes Leben gemacht.
    Nicky, ich hatte es endlich verstanden.
    Hallo, Nicky!
    Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, war das alles vor Daddy, vor Matt.
    Ich möchte dir von Dr. Michael Bernstein erzählen.
    Ich lernte ihn 1996 auf dem Hochzeitsempfang für John Kennedy und Carolyn Bessette auf Cumberland Island in Georgia kennen. Ich muss zugeben, dass wir beide bis dahin jeder ein ziemlich angenehmes Leben geführt hatten. Meine Eltern waren gestorben, als ich zwei Jahre alt war, doch ich hatte das Glück, mit viel Liebe und Geduld von meinen Großeltern in Cornwall im Staat New York aufgezogen zu werden. Ich besuchte die Lawrenceville Academy in New Jersey, ging dann zur Duke University und schließlich zur Harvard Medical School.
    Ich war überglücklich, dass ich diese drei Hochschulen besuchen durfte, und ich hätte keine bessere Ausbildung bekommen können - außer dass ich an keiner dieser Universitäten die Lektion mit den fünf Kugeln gelernt habe.
    Michael hatte ebenfalls die Harvard Medical School besucht, doch als ich dorthin kam, hatte er seinen Abschluss längst gemacht - vier Jahre zuvor. Wir trafen uns erst
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