Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Treppen mit runden, an ihrem Fuße schlanken und nach oben zu anschwellenden Balustern herabsteigt. Dieses Hauptgebäude ist flankiert von Glockentürmchen, wo die Bleiarbeit ihre Blumen aufweist, von modernen Pavillons mit Galerien und mehr oder weniger griechischen Vasen. Da, mein Teurer, herrscht keine Symmetrie. Diese zufällig zusammengefügten Nester sind wie umhüllt von einigen immergrünen Bäumen, deren Laubwerk seine tausend braunen Geschosse auf die Dächer schüttelt, welche mit Moosen bewachsen und von schönen Lazerten belebt sind, an denen sich das Auge erfreut. Da gibt's die rotrindige Pinie Italiens mit ihrem majestätischen Schirmdach, da gibt's eine zweihundertjährige Zeder, Trauerweiden, eine nordische Tanne, eine Buche, die sie überragt, dann vor dem Hauptturm die eigenartigsten Sträucher: einen gestutzten Eibenbaum, der an irgendeinen alten zerstörten französischen Garten erinnert, Magnolien, und Hortensien zu ihren Füßen, kurz die Invaliden unter den Heroen der Gartenkunst, die abwechselnd Mode waren und vergessen sind wie alle Heroen.
    Ein Schornstein mit originellen Skulpturen, aus dem in einer Ecke große Rauchschwaden emporwirbeln, vergewisserte mich, daß dies köstliche Bild keine Operndekoration war. Die Küche deutete auf Lebewesen hin. Siehst du mich, mich, Blondet, der ich in Polarregionen zu sein glaube, wenn ich in Saint-Cloud weile, inmitten dieser heißen Burgunderlandschaft?
    Die Sonne strahlt ihre stechendste Hitze aus, der Eisvogel sitzt am Rande des Teichs, die Zikaden schrillen, die Grille zirpt, die Kapseln irgendwelcher Körnerfrucht springen auf, der Mohn läßt sein Morphium in flüssigen Tränen ausschwitzen und alles hebt sich klar von dem dunklen Blau des Aethers ab. Ueber den rötlichen Erdflächen der Terrasse verzittern die heiteren Dämpfe dieses natürlichen Punsches, der die Insekten und Blumen berauscht, der uns in den Augen brennt und die Gesichter bräunt. Längs dem Hause endlich strahlen blauer Rittersporn, aurorafarbener Kapuziner und wohlriechende Wicken. Einige ferne Tuberosen und Orangenbäume durchduften die Luft. Nach der poetischen Ausdünstung der Bäume, die mich darauf vorbereitet, kommen die aufreizenden Räucherkerzen dieses botanischen Serails. Oben auf der Plattform siehst du endlich als Königin der Blumen eine Frau in Weiß und mit bloßem Kopfe, unter einem doppelten Sonnenschirme von weißer Seide, doch weißer als die Seide, weißer als die Lilien zu ihren Füßen, weißer als die gestirnten Jasminblüten, die sich keck in die Balustraden flechten, eine in Rußland geborene Französin, die zu mir sagte: »Ich hoffte nicht mehr auf Sie.« Seit der Wegbiegung hatte sie mich gesehen. Mit welcher Vollendung verstehen sich doch alle Frauen, selbst die naivsten auf das Sich-in-Szene-setzen! Das Geräusch der mit Servieren beschäftigten Leute kündigte mir an, daß man mit dem Frühstück bis zur Ankunft der Eilpost gewartet habe. Sie hatte nicht gewagt, mir entgegenzugehn.
    Ist das nicht unser Traum, ist es nicht der aller Liebhaber des Schönen unter jeder Form, der seraphischen Schönheit, die Luini in der »Hochzeit der Jungfrau« seiner schönen Freske in Sarono gegeben, der Schönheit, die Rubens für sein Handgemenge in der »Schlacht am Thermodon« gefunden hat, der Schönheit, die fünf Jahrhunderte in den Kathedralen von Sevilla und Mailand verarbeiteten, der Schönheit der Sarazenen in Granada, der Schönheit Ludwigs XIV. zu Versailles, der Schönheit der Alpen und der Schönheit der Limagne?
    Zu dieser Besitzung, die nichts allzu Fürstliches, nichts allzu Finanzmännliches aufweist, wo aber Fürst und Generalpächter gehaust haben, was zu ihrer Erklärung dient, gehören zweitausend Hektar Wald, ein Park von neunhundert Arpents, die Mühle, drei Meiereien, ein umfangreiches Pachtgut in Conches und Weinberge, die zusammen ein Einkommen von zweiundsiebzigtausend Franken einbringen müßten. Das ist Les Aigues, mein Lieber, wo man mich seit zwei Jahren erwartet, und wo ich mich in diesem Augenblick in dem persischen Zimmer befinde, das für intime Freunde bestimmt ist.
    Oben im Park, nach Conches hin, fließen ein Dutzend klarer, durchsichtiger Quellen, die vom Morvan kommen und sich alle in den Teich ergießen, nachdem sie mit ihren flüssigen Bändern sowohl den Park als auch seine herrlichen Gärten geschmückt haben. Der Name Les Aigues (die Gewässer) stammt von diesen reizenden Wasserläufen. Man hat das Wort Vives
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher