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sus

sus

Titel: sus
Autoren: Unknown
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bemerkt. Bis jetzt hatten die nur über das
Skelett gelacht. Vielleicht würde die Platte ihnen aber irgendwann mal
auffallen. Gut. Die Selbstmordthese wurde dankbar angenommen. Sonderbar genug
war Kostenko gewesen. Der verschwundene Knochen würde vielleicht die Frage
aufwerfen, wohin und warum er verschwunden war; aber gefährlicher wär’s, wenn
er identifiziert würde. Jedenfalls fand sich kein Diamant bei dem armen Kerl,
und so führte auch keine Spur zu Ihnen. Gut. Sehr gut. Ausgezeichnet. Sie
können aufatmen. Aber Sie bedrückt die Frage: ,Wer hat
den Diamanten gestohlen, wenn Kostenko es offensichtlich nicht war ?’ In guter alter Tradition verdächtigen Sie Olga. Und
jetzt hören Sie gut zu: Sonia war zwar eine Hure, vielleicht auch eine Diebin,
aber sie wollte nicht, daß jemand anders für ihre Sünden büßen sollte. Sie will
es Ihnen beichten, zögert, weiht Hélène ein. Sie hören zufällig das Gespräch
mit... Ja, ich glaube, daß Sie in den Galeries waren,
als Kostenko in den Schacht fiel. Aber nicht nur deshalb waren Sie da;
vielleicht haben Sie auch nur eine günstige Gelegenheit wahrgenommen, um Iwan
in den Tod zu stürzen. Sie waren tatsächlich beruflich in dem großen Kaufhaus.
Und Sonia wußte das... und Sie wußten, daß Sonia es wußte... und Sonia würde
eines Tages vielleicht den naheliegenden Zusammenhang herstellen. Also brüllen
Sie sie an. Sie haben ja einen triftigen Grund: Sonia hat Sie bestohlen und
betrogen. Sie reden und reden, treiben sie in die Enge... und das hätten Sie
nicht tun dürfen. Wie ich Ihnen gestern gesagt habe: Sie hätten Sonia nicht in
den Selbstmord treiben dürfen.“
    Natascha richtet sich in ihrem
Sessel auf. Plötzlich sinkt sie wieder in sich zusammen, stößt einen jämmerlichen
Schrei aus. Dann schluchzt sie unregelmäßig vor sich hin, vergräbt ihr Gesicht
in der Armbeuge, windet sich wie eine Schlange, schluchzt auf Teufel komm raus.
    „Lassen wir’s genug sein“,
erbarmt sich Hélène, völlig aus der Fassung.
    Sie beugt sich über die Russin,
will sie trösten.
    „Dreckige kleine Hure!“ giftet
Natascha.
    Zum Totlachen. Bei den
Russinnen hat Hélène einfach kein Glück. Sie wird von der einen genauso
beschimpft wie von der andern. Während ich mich noch totlache, packe ich meine
Sekretärin von hinten, werfe sie auf den Boden. Schade um ihre hübschen
Strümpfe. Wir rollen in eine Zimmerecke. Gleichzeitig spuckt das Schießeisen,
das Natascha plötzlich in der Hand hat, blaue Bohnen an die Wand.
    Bei meiner Todesspirale mit
Hélène hab ich mir ‘ne Beule geholt. Wie durch einen Nebel sehe ich Florimond Faroux und zwei seiner
Männer ins Zimmer stürzen. Sie schnappen sich das schießwütige Weib und
entwaffnen sie. Ich rappele mich hoch.
    „Nun, Kommissar, wird das
reichen?“
    „So eben, ja“, antwortet Faroux . „Wir haben alles mitgekriegt. Eine
Privatvorstellung sozusagen. Nur... sie muß erst mal so einiges von dem
gestehen, was Sie, Burma, sich da so zusammengefaselt haben. Wenn ich recht
gehört habe, war das reine Gedankenakrobatik.“
    „Immerhin können Sie sie mit
zweierlei in Verlegenheit bringen: die Reste der Kronjuwelen Seiner Majestät
und das Grab des bekannten Soldaten im Garten. Das sollte doch wohl reichen.“
    „Das wird reichen“, sagt Faroux grinsend.
    Ich gehe zu Natascha.
    „Die russische Kaiserkrone“,
sage ich mit zitternder Stimme, „die Krone, Goropoff ,
Kostenko, Goldy , Rosen & Co., das war und
ist mir alles scheißegal. Ich hatte nichts damit zu tun. Kein Klient, den ich
verteidigen mußte, keinen, den ich deshalb verprügeln mußte... Und ein
Zulieferer fürs Zentralgefängnis oder für die Guillotine bin ich auch nicht.
Sie hätten Ihre Verbrechen verdauen können. Vielleicht hätte ich das
zugelassen... in der Hoffnung, daß Ihnen das Ganze schwer im Magen liegen
würde. Bestimmte Dinge jedoch hätten Sie nicht tun dürfen... aber Sie haben sie
getan... Sie hätten Sonia nicht in den Selbstmord treiben dürfen! Von dem
Augenblick an hatte ich mich nicht mehr in der Gewalt. Hatte das Kommando
abgegeben.“
    Natascha sieht mich an. Ihre
Augen verengen sich zu Schlitzen. Sie hebt die Schultern und sagt:
    „ Nitschewo .“
    Mich überrascht, wie sanft ihre
Stimme klingt.
     
     
    Paris
1957

Nachgang
     
    Nie habe ich es geschafft, bei Drouot etwas zu ersteigern. Ich war versucht, es zu
versuchen, aber es ergab sich eben nicht. Ein Skelett oder gar das Geschmeide
der Zarenfamilie hätten mich
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