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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
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fest zu. «Chinesinnen sind so zierlich», sagte er.
    «So zierlich bin ich gar nicht.»
    «Doch!»
    «Und ich bin keine Chinesin.»
    «Also, Bobby D. und Dick Gere zanken sich auf einer Party. Da kommt Dick zu mir und jammert: ‹Wieso hasst Bobby mich so?› Moment. Wo war ich gerade? Brauchst du noch was zu trinken? Oh! Dass du nach Rom gekommen bist, war die richtige Entscheidung, Mäuschen. New York ist am Ende. Amerika ist Geschichte. Und jetzt, wo diese Arschlöcher am Ruder sind, gehe ich nie wieder zurück. Scheiß-Rubenstein. Scheiß-Überparteiliche. Das ist 1984, Baby. Nicht, dass du die Anspielung verstehen würdest. Vielleicht kann unser Bücherfreund Lenny uns aufklären. Was hast du für ein Glück, dass du mit mir hier sein darfst, Euny. Willst du mich nicht küssen?»
    «Nein», sagte Eunice Park. «Nein danke.»
    Nein danke.
Ein nettes koreanisches Mädchen, Absolventin vom Elderbird College in Massachusetts. Wie gern ich diese vollen Lippen selbst küssen und den schmalen Rest von ihr im Arm halten würde.
    «Warum nicht?», rief der Bildhauer. Und weil er schon längst nicht mehr in der Lage war, die kurzfristigen Folgen seiner Handlungen abzuschätzen, rüttelte er sie an der Schulter, bloß ein betrunkenes Schütteln, doch offenbar zu heftig für ihren winzigen Körper. Eunice sah auf, und ich entdeckte in ihren Augen die vertraute Wut eines Erwachsenen, der plötzlich in die Kindheit zurückgeworfen wird. Sie presste sich eine Hand auf den Bauch, als hätte man sie dorthin geboxt, und senkte den Blick. Rotwein war auf ihren teuren Pullover gespritzt. Sie wandte sich zu mir, und ich bemerkte, dass sie sich schämte, nicht für den Bildhauer, sondern für sich selbst.
    «Jetzt mal locker bleiben», sagte ich und legte dem Bildhauerdie Hand auf den angespannten, feuchten Nacken. «Vielleicht setzen wir uns mal auf die Couch und trinken ein Glas Wasser.»
    Eunice rieb sich die Schulter und wich vor uns zurück. Sie sah aus, als würde sie routiniert Tränen unterdrücken.
    «Verpiss dich, Lenny», sagte der Bildhauer und schubste mich leicht. Seine Hände waren zweifellos kräftig. «Geh mit deinem Jungbrunnen woanders hausieren.»
    «Such dir eine Couch und entspann dich», herrschte ich den Bildhauer an. Ich ging zu Eunice und streckte meinen Arm in ihre Richtung, ohne sie wirklich zu berühren. «Tut mir leid», murmelte ich. «Er trinkt zu viel.»
    «Ja, ich trinke zu viel!», rief der Bildhauer. «Vielleicht bin ich sogar ein bisschen besoffen. Aber morgen früh werde ich Kunst erschaffen. Und was wirst du tun,
Leonard
? Irgendwelchen Greisen von den Überparteilichen grünen Tee und geklonte Lebern verticken? Tagebuch schreiben? Lass mich mal raten. ‹Mein Onkel hat mich missbraucht. Ich war drei Sekunden lang heroinabhängig.› Vergiss den Jungbrunnen, Kumpel. Du kannst tausend Jahre alt werden, und es wird trotzdem nichts bedeuten. Mittelmäßige wie du
verdienen
nichts Besseres als Unsterblichkeit. Vertrau diesem Kerl nicht, Eunice. Er ist nicht wie wir. Er ist ein echter Amerikaner. Ein echt cleverer Hund. Er ist der Grund, dass wir in Venezuela einmarschiert sind. Dass sich in den Staaten niemand mehr traut, ‹buh› zu sagen. Er ist keinen Deut besser als Rubenstein. Schau in diese dunklen, unehrlichen Aschkenasenaugen. Kissinger der Zweite.»
    Eine Menschentraube hatte sich um uns gebildet. Den berühmten Bildhauer «ausrasten» zu sehen war für die Römer immer ein Quell der Belustigung, und die Stichwörter «Venezuela» und «Rubenstein», langsam und genüsslich anklagend ausgesprochen, konnten selbst einen komatösenEuropäer in Erregung versetzen. Aus dem Wohnzimmer hörte ich Fabrizias Stimme. So sanft wie möglich schob ich die Koreanerin in Richtung Küche, die zum Dienstbotentrakt mit seinem separaten Eingang führte.
    Im schwachen Licht einer nackten Glühbirne sah ich das ukrainische Kindermädchen den süßen, dunklen Schopf von Fabrizias Sohn tätscheln, während sie ihm den Inhalator in den Mund bugsierte. Das Kind nahm unser Eindringen kaum überrascht zur Kenntnis, das Kindermädchen wollte gerade
«Che cosa?»
sagen, wir aber marschierten geradewegs an ihr und dem ordentlichen kleinen Stapel von Kleidern und billigen Souvenirs (einer Küchenschürze mit Michelangelos David rittlings auf dem Kolosseum) vorbei, ihrem unmittelbaren Besitz. Als Eunice und ich die laute Marmortreppe hinab liefen, hörten wir Fabrizia und andere die Verfolgung aufnehmen und den
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