Sunshine Ranch 04 - Myriams letzte Chance
lassen.
„Ich wollte dich mal was fragen“, begann Myriam schließlich.
Ella zog erwartungsvoll die Augenbrauen hoch.
„Nach dem Workshop auf der Sunshine Ranch letzte Woche ist … etwas Schlimmes passiert. Ein Pferd ist entführt worden.“
„Ein Pferd?“, fragte Ella verständnislos.
„Und zwar Charlie. Der Wallach von April.“
So weit, so gut. Und jetzt?, fragte sich Myriam. Wie wollte sie denn nun weitermachen? Also, Charlie ist weg, und Tom und ich glauben, dass du dahintersteckst. Nee, das ging überhaupt nicht.
„Aha“, sagte Ella. „Das ist ja schlimm.“
„Genau.“
„Ella!“ Die Männerstimme drang aus einer der halboffenen Türen in die Eingangshalle. „Dauert das noch lang?“
„Komme gleich!“, gab Ella zurück. „Ich weiß nicht, warum du mir das erzählst“, sagte sie dann zu Myriam. „Mir ist nichts aufgefallen. Ich hab auch nichts beobachtet oder so, wenn du deshalb hier bist.“
„Wirklich nicht?“, fragte Myriam. „Tori und Sina haben nämlich erzählt, dass du nachts noch mal aufgestanden bist.“ Eine glatte Lüge, Tori und Sina hatten geschlafen wie die Steine. Aber manchmal brachte einen ein Bluff weiter. „Vielleicht hast du doch was gesehen und hast es ganz verdrängt …“
„Ich bin nicht noch mal aufgestanden!“, entgegnete Ella empört. „Ich hab tief und fest geschlafen. Also, ich frage mich langsam, was das jetzt soll!“
Das fragte sich Myriam auf einmal auch. Sie wusste nur, dass sie sich das Ganze viel einfacher vorgestellt hatte. Irgendwie hatte sie erwartet, dass Ella bei der ersten Erwähnung von Charlies Name zusammenbrechen und alles gestehen würde. Aber Ella war ja nicht blöd, natürlich gab sie nicht so schnell klein bei. Da half nur die Flucht nach vorn.
„Wir wissen, dass du noch mal draußen warst“, sagte sie mit fester Stimme. „Du hast beobachtet, wie sich Tom und April in der Scheune getroffen haben. Und das hat dich so wütend gemacht, dass du beschlossen hast, Charlie zu entführen. Und April zu erpressen. Um ihr heimzuzahlen, dass sie Tom verführt hat.“
Ella riss die Augen auf und starrte Myriam entgeistert an.
Das war gut, dachte Myriam zufrieden. Nun geriet Ella ganz offensichtlich in Panik.
„Da staunst du, was?“, fragte sie. „Du hättest nicht erwartet, dass wir dir so schnell auf die Schliche kommen. Aber du hast Glück. Sue und April waren noch nicht bei der Polizei. Wenn du Charlie gleich zurückbringst, kommst du vielleicht ohne größere Folgen aus der Sache raus.“
„Wie bitte?“, fragte Ella eisig. „Sag mal, wovon redest du eigentlich? Was haben Tom und April in der Scheune gemacht?“
Dieser befremdete Blick, dieser erstaunte Ton, das alles wirkte sehr überzeugend. Entweder Ella war eine überaus begnadete Schauspielerin. Oder sie hatte wirklich nichts mit der ganzen Sache zu tun.
„Nun stell dich nicht so dumm!“, sagte Myriam dennoch. „Natürlich hast du beobachtet, wie Tom mit April rumgemacht hat. Deshalb hast du auch Schluss mit ihm gemacht.“
Jetzt wandelte sich Ellas Verständnislosigkeit in einen Ausdruck der Belustigung.
„Mario!“, rief sie über ihre Schulter ins Haus. „Kannst du mal kommen, bitte?“
Der junge Mann, der aus der halb geöffneten Tür in die Vorhalle trat, war nur mit einer Pyjamahose bekleidet. Sein nackter Oberkörper war braun gebrannt und muskulös. Welliges blondes Haar fiel ihm fast bis auf die Schultern.
Er lächelte Myriam an, während er neben Ella trat und seinen Arm um ihre Hüfte legte. „Guten Morgen. Was gibt’s?“
„Myriam ist überzeugt, dass ich Sonntagnacht ein Pferd geklaut habe“, sagte Ella.
Mario zog in gespieltem Entsetzen die Augenbrauen zusammen. „Und? Hast du?“, erkundigte er sich. Er war ein ganzes Stück älter als Ella, siebzehn oder achtzehn, schätzte Myriam.
„Sie glaubt, dass ich das getan habe, weil Tom mir das Herz gebrochen hat“, fuhr Ella fort.
Mario lachte. „Vielleicht hat er das ja. Und du hast es die ganze Zeit vor mir versteckt.“
Er küsste Ella zärtlich auf den Nacken.
Zum ersten Mal, seit sie die Tür geöffnet hatte, lächelte Ella.
„Sag Myriam doch mal, wie lange wir schon zusammen sind“, forderte sie Mario auf.
Marios Lächeln wurde noch breiter. Gleich würden seine Mundwinkel seine Ohrläppchen erreichen, dachte Myriam.
„Es sind auf den Tag genau vier Wochen, dass ich die bezaubernde Ella auf einer Party kennengelernt habe“, erklärte er. „Es war Liebe auf den ersten
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