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Suendiger Hauch

Titel: Suendiger Hauch
Autoren: Kat Martin
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den Aufsehern tatsächlich genau auf die Weise entkommen, wie sie es erzählt hatte. Der fette Wächter hatte sie in einen Raum hinter der Küche gezerrt, wo er ihr Gewalt antun wollte, während der Große vor der Tür gestanden und gewartet hatte, bis er an der Reihe war. Während sich der Fettwanst abgemüht hatte, seine Hose zu öffnen, hatte sie ihm mit einem Topf einen Schlag auf den Kopf gegeben und war durch das schmale Küchenfenster in die Dunkelheit entkommen.
    Sie versuchte, die hässlichen Gedanken an diese Nacht in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses zu schieben. Wie der Marquis gesagt hatte, in Castle Running war sie in Sicherheit, und sie gedachte, so lange zu bleiben, wie es das Schicksal - und Seine Lordschaft - es für richtig hielt. Und das würde, so hoffte sie, mindestens eine Woche sein. Litchfields Diener würde mindestens drei oder vier Tage nach Ripon benötigen, wo er feststellen würde, dass es an diesem Ort keinen Vikar namens Gray gab, weder in der Gemeindekirche noch sonst irgendwo in dieser Gegend, bevor er seine ebenso lange Rückreise würde antreten können, um dem Marquis die Nachricht zu überbringen.
    Und zu diesem Zeitpunkt würde sie bereits verschwunden sein.
    Für den Augenblick jedoch wollte Kathryn die Bequemlichkeit und die Sicherheit von Castle Running genießen. Sie benötigte etwas Zeit, um sich von den Strapazen des schrecklichen, monatelangen Aufenthaltes in St. Bart’s zu erholen
    und, was noch viel wichtiger war, Pläne für ihre Zukunft zu schmieden. Sie war sich noch nicht sicher, was sie tun wollte, doch sie musste irgendeinen Weg finden, auf eigenen Füßen zu stehen.
    Doch unglücklicherweise gab es niemanden, zu dem sie hätte gehen können, von dem mangelnden Geld für die Reise dorthin einmal ganz abgesehen. Deshalb sah sie ihrer Abreise aus Castle Running ausgesprochen besorgt entgegen. Doch dem Marquis of Litchfield gegenüberzustehen, wenn er erfuhr, dass ihre Geschichte gänzlich erfunden war, war ein weitaus beängstigenderer Gedanke.
    Kathryn nahm eine Haarnadel und platzierte sie in dem ordentlichen Knoten, zu dem sie ihr Haar aufgesteckt hatte. Sie machte sich fertig, um in den Frühstückssalon hinunterzugehen, wo sie zum ersten Mal mit der Tante des Marquis Zusammentreffen sollte. Sie bemerkte, dass ihre Hand ein wenig zitterte. Jeder, dem sie im Augenblick begegnete, konnte ihre Sicherheit gefährden, jeder könnte ein Feind sein und dafür sorgen, dass sie wieder in die Anstalt zurückgebracht wurde. Allein beim Gedanken daran wurde Kathryn fast übel.
    Sie kannte die Tante des Marquis noch nicht, und vor allem wusste sie nicht, ob sie ihrer Geschichte Glauben schenken würde. Wenn nicht... gütiger Himmel. Wenn sie den Marquis davon überzeugen würde, die Behörden zu alarmieren ...
    Entschlossen schob Kathryn diesen Gedanken beiseite. Sie würde einfach versuchen, ihre Rolle so gut wie möglich zu spielen, und beten, dass die Tante ebenso sympathisch war wie ihr Neffe. Dann würde man ihr sicherlich erlauben zu bleiben.
    Sie holte tief Luft, strich den Stoff ihres geborgten Kleides glatt, während sie eine Sekunde lang das Gefühl genoss wie nie zuvor, und machte sich auf den Weg nach unten.
    Lucien Montaine wartete bereits in seiner Reitkleidung, die aus eng anliegenden braunen Hosen und einem langärmeligen, weißen Batisthemd bestand, auf sie. Seine Jacke aus fein gewobener, brauner Wolle hing über der Lehne seines Stuhls. Er erhob sich lächelnd, als sie den Salon betrat, und neigte seinen Kopf in Richtung der hübschen, blonden Dame, die neben ihm saß.
    »Darf ich Ihnen die Schwester meines Vaters vorstellen«, sagte er. »Winifred Montaine DeWitt, Vicomtesse Beckford, darf ich Ihnen Miss Kathryn Gray vorstellen.«
    Kathryn machte einen tiefen Knicks. Ihre Handflächen waren schweißnass und ihre Kehle wie zugeschnürt. »Lady Beckford. Es ist mir ein Vergnügen.«
    Lady Beckford lächelte. Sie war Anfang vierzig, hatte blondes Haar, das an den Schläfen bereits leicht zu ergrauen begann, und tiefliegende, klare, blaue Augen, in denen so viel Mitgefühl lag, dass man den Eindruck gewinnen konnte, sie wünschte sich, Kathryns Schicksal zu teilen. Ihr freundlicher Blick ruhte einen Augenblick lang auf Kathryn, die fühlte, dass etwas in ihrem Inneren sich regte. Für eine Sekunde war sie wie benommen. Das liebreizende Gesicht ihrer Mutter tauchte vor ihr auf, und Kathryn fürchtete einen schrecklichen Moment lang, sie würde sich
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