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Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
Autoren: Phil Rickman
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Wohnsiedlungen die Einwohnerzahl Ledwardines so weit anstieg, dass ein Großmarkt nicht nur notwendig, sondern wünschenswert wurde, und die Gemeindehalle durch ein neues Freizeitzentrum irgendwo auf der grünen Wiese ersetzt würde, dann würde der Klient – und zweifellos auch sein Wirtschaftsprüfer – ordentlich Gewinn machen.
    «Ich hatte vergessen, wie gut Sie mit Gomer Parry befreundet sind», sagte James. «Anscheinend ein Mann, der die Bedeutung des Begriffes
üble Nachrede
nicht kennt.»
    «Nein, das hatten Sie nicht vergessen. Wissen Sie, kein Mensch hat was gegen Zugezogene, jede Bevölkerungsstruktur ändert sich … aber in einem Dorf sollte es überschaubar bleiben. Und es sollte ausgeglichen sein. Inzwischen ist es ja schon so, dass nur noch wohlhabende Leute hierherziehen können, die London satthaben. Also bauen Pierce und seine Kollegen Hunderte von Luxushäusern, und eine Armee reicher Pensionäre zieht ein, und die Jugendlichen aus dem Dorf müssen in die Städte, und Ledwardine wird seine Identität verlieren … dann wird aus unserem Dorf ein Vorstadtmonster mit einem Open-Air-Museum in der Mitte. Ich … tut mir leid.» Sie fächelte sich mit ihren Handschuhen Luft zu. «Normalerweise bin ich nicht so hitzig.»
    «Also», James setzte ein schmales Lächeln auf, «lassen Sie uns sehen, wie sich alles entwickelt. Wenn English Heritage Coleman’s Meadow archäologisch interessant findet, erübrigt sich die Debatte ohnehin. Schönen Abend noch, Frau Pfarrer, Robinson. Ah …» Er sah Lol an. «Wie ich höre, hat man Sie gefragt, ob Sie ein Konzert bei uns geben.»
    Lol sagte nichts.
    «Im
Swan
?», sagte James. «Am Weihnachtsabend?»
    «Ich weiß noch nicht, ob es klappt», sagte Lol.
    Ein Jahr nachdem er endlich seine Angst vor dem Publikum besiegt hatte, war er immer noch nicht in Ledwardine aufgetreten. Keine große Sache … und doch war es eine.
    «Wäre schade, wenn Sie es nicht schaffen», sagte James.
    Sie sahen ihm nach. Die Wahrscheinlichkeit, dass James jemals einen von Lols Songs gehört hatte, war ziemlich gering.
    «Soll das heißen, er ist auf unserer Seite?», fragte Lol.
    «Darauf verlässt man sich besser nicht.» Merrily kämpfte mit dem Reißverschluss ihrer Jacke. «Lol, sehe ich eigentlich krank aus oder so? Ich meine, wie du mich vorhin gefragt hast …»
    «Nein», Lol lächelte. «Ehrlich gesagt, sosehr ich es hasse, Eric Clapton nach dem Mund zu reden, aber
you look wonderful

    «Oh,
bitte
. Komm, gehen wir den Teekessel aufsetzen.»
    «Soll das ein Euphemismus sein?»
    «Nein! Ich brauche wirklich einen Tee. Und ich muss früh schlafen gehen – morgen ist Tom Parsons Einäscherung im Krematorium von Hereford.»
    Lol nickte.
    «Ich hab nur überlegt», sagte er, «ob es nicht Zeit für uns wäre, um …»
    Sie sah von ihrem Reißverschluss auf.
    «Um was?»
    Er antwortete nicht, und Merrily hatte einen Augenblick lang den alten Lol vor sich – losgelöst, unsicher, der seine Vergangenheit auf den Schultern mitschleppte wie einen fleckigen alten Mantel. Sie dachte daran, wie er sich mit dem Mann auseinandergesetzt hatte, der für die Zerstörung von Lols geliebter Boswell-Gitarre verantwortlich war. Wie er ihn den vollen Preis dafür hatte zahlen lassen, aber nicht um die Boswell damit zu ersetzen. Statt dessen hatte er das Geld anonym an drei Wohltätigkeitsvereine geschickt. Schmutziges Geld, hatte er gesagt.
    In der Woche zuvor war Lol zur Aufzeichnung seines ersten Fernsehauftritts in London gewesen, aber immer noch fürchtete er sich davor, in Ledwardine zu spielen. Fürchtete sich davor, was es für ihn bedeuten könnte, wenn es ein Flop wurde.
    Sie waren inzwischen beinahe die Letzten unter der kalten Saalbeleuchtung. Merrily machte sich Sorgen um Lol. Und machte sich Sorgen, weil er sich um sie Sorgen machte.
Gott
.
    «Ob es nicht Zeit für uns wäre, um
was
?», sagte Merrily.
    Regen trommelte gegen die Fenster, und die Scheiben vibrierten in den Metallrahmen. Lol trat noch einen Schritt näher an Merrily heran und zog den Reißverschluss für sie zu.
    «Nicht so wichtig.»

7 Die Sache mit den Augen
    Ein schrecklicher Mord bringt sein eigenes Licht mit sich. Bliss konnte förmlich sehen, wie die Elektrizität sich über die schimmernden Dächer dieser niedrigen Fachwerkstadt ausbreitete, magnesiumhelle Blitze in die überlaufenden Gullys hinabfahren ließ.
    Und die
stellvertretende
Superintendentin Annie Howe hatte bereits einen Mord zu bearbeiten.
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