Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition)
Autoren: Anya Lipska
Vom Netzwerk:
umdrehte, schien er wieder bester Laune zu sein.
    »Ein Jammer, dass ich Sie nicht von meinem Standpunkt überzeugen kann. Vielleicht ändern Sie ja Ihre Meinung, wenn Sie in fünf Jahren sehen, wie das polnische Bruttosozialprodukt sämtliche Rekorde bricht.« Als er Janusz ' erstaunte Miene bemerkte, fing er an zu lachen.
    »Ich muss mich entschuldigen! Einen Moment hatte ich ganz vergessen, dass Sie ja hier den James Bond spielen und mir die Rolle des bösen Schurken zugedacht haben. Deshalb mussten Sie natürlich annehmen, dass Sie meine Höhle nicht lebend verlassen werden.«
    Er stellte sein leeres Glas auf den Tisch. »Ganz gleich, was Sie auch von mir halten mögen, mir liegt nichts daran, die Anzahl der Gefallenen unnötig in die Höhe zu treiben. Außerdem habe ich eine kleine Rückversicherung in der Hand, die dafür sorgen wird, dass Sie ganz bestimmt nicht an höherer Stelle die Pferde scheu machen werden.«
    Eine eigenartige Mischung von Gefühlen stieg in Janusz hoch: einerseits eine unglaubliche Erleichterung, die die zahlreichen verkrampften Muskeln in seinem Körper lockerer werden ließ, andererseits ein ängstliches Zusammenzucken, als er das Wort »Rückversicherung« hörte.
    »Bestimmt ist Ihnen bekannt, dass Radomil in diesem Land inzwischen eine Fernsehberühmtheit geworden ist, die seinen Vertrieb pharmazeutischer Produkte behindert und ihn zwingt weiterzuziehen.« Er wies mit dem Kopf auf Radomil, der vorsichtig sein verletztes Ohr betastete. »Und sicher sind Sie inzwischen auch schon dahintergekommen, dass er es war, der Ihrem Freund letzte Woche den … Exportauftrag erteilt hat.«
    Janusz nickte und fragte sich, was nun wohl kommen würde.
    Doch Nowak hielt inne und schaute auf die Uhr. »Verzeihung, aber ich habe gerade bemerkt, dass es spät wird. Radomil, bringst du Pan Kiszka bitte das Mädchen?«
    Nowak wandte sich wieder an Janusz. »Ich fürchte, die Leiche, die Sie und Ihr Freund nach Polen überführt haben, war nicht die von Olek Kamarewski, der für immer in den Fundamenten eines Wohnblocks im East End begraben ist. Es handelte sich um einen bedauernswerten Taugenichts, der Radomils Missfallen erregt hatte.« Er verzog beim Gedanken an so viel Brutalität angewidert das Gesicht.
    Schweine . Er und Oskar hatten geholfen, ein Mordopfer zu beseitigen – und ihre sechzehnhundert Kilometer weite Reise war an vier europäischen Grenzen gefilmt und in Datenbanken gespeichert worden.
    »Wenn ich Ärger mache, kriegen Oskar und ich eine Anzeige wegen Mordes«, stellte Janusz tonlos fest.
    In diesem Moment kehrte Radomil zurück. Die benommene schlanke Gestalt in seiner Begleitung trug er mehr, als dass er sie vor sich herschob. Es war Weronika, die Hände mit Kabelbindern vor dem Leib gefesselt. Als sie sich dem Fenster näherten, erkannte Janusz, dass ihre Lippen rot und geschwollen und ihre Augen über den hohen Wangenknochen glasig waren. Ihre Brust hob und senkte sich rasch, ein Zeichen dafür, dass sie zu schnell und zu flach atmete. Kurwa ma ć ! Was hatte der verdammte Wahnsinnige mit ihr gemacht?
    Nowak nahm seine Jacke vom Tisch und schlüpfte hinein. Der gedrungene, kahlköpfige Mann in seiner billigen blauen Windjacke war von den Rentern, die in Danzig auf der Hafenmauer saßen und ihre Angelruten ins Wasser hielten, nicht zu unterscheiden, dachte Janusz. Nowak nickte Radomil zu. »Mach du hier Ordnung, aber trödle nicht herum.« Er winkte Janusz zu. » Pan Kiszka soll das Mädchen losbinden.« Radomil nickte.
    »Auf Wiedersehen, Janusz«, sagte Nowak. »Schade, dass wir uns unter diesen Umständen kennenlernen mussten.« Mit einem fröhlichen Nicken drehte er sich um und war fort.
    Radomil presste Weronika noch immer an sich. Einen mächtigen Arm hatte er unterhalb der Brüste um ihren Körper geschlungen, ihr langes, helles Haar streifte vertraulich seinen Unterarm. Er richtete sie auf und winkte Janusz lässig mit der freien Hand heran. Doch noch ehe er aufstehen konnte, reckte Radomil kurz das Kinn, und Janusz spürte, wie sich ein muskulöser Arm um seine Kehle schloss. Heilige Muttergottes ! Er grub die Fingernägel in den Arm, der ihm die Luftröhre zusammendrückte, und warf die Beine hin und her, um sich zu befreien. Der Stuhl geriet ins Schlingern. Der Ukrainer fluchte zwar, ließ aber nicht locker. Während Janusz nach Atem rang, hörte er in der Ferne das Surren des Aufzugmotors, als Nowak ins Erdgeschoss hinunterfuhr. Kurz darauf klapperte das Türgitter.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher