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Süchtig

Titel: Süchtig
Autoren: Matt Richtel
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hatte, enthielt unter anderem frisierte Unterlagen zu einigen Projekten, die die Behörden auf den Plan gerufen hatten.
    »Das ist eine Lüge«, schrie ich. »Eine gottverdammte Lüge!«
    »Sie verhalten sich auffällig«, stellte Elliott fest. »Irrational. Sehen Sie sich doch nur an.«
    »Elliott, das ist ein Kartenhaus, das sich mit ein paar simplen Erklärungen zum Einsturz bringen lässt. Das wird die Polizei schon herausfinden. Occams Rasiermesser – die einfachste Erklärung ist, dass ich ein Journalist auf der Suche nach der Wahrheit bin.«

    »Tut mir leid, Kumpel, das Prinzip arbeitet zu meinen Gunsten. Welche Wahrheit übrigens? Dass Computer Menschen umbringen? Dafür haben Sie nicht die Spur eines Beweises. Nichts. Völlig aus der Luft gegriffen. Oder dass Annie lebt? Großer Gott, Sie leiden offenbar an posttraumatischem Stress-Syndrom. Außer Ihnen hat sie niemand gesehen. Annie ist tot, das hat Sie aus der Bahn geworfen. Und Sie haben ein Trauma hinter sich, das Ihnen den Rest gegeben hat. Nun denken Sie, Annie wäre von den Toten zurückgekehrt, oder Computer könnten unsere Gehirne manipulieren.«
    Elliott drückte erneut die Play-Taste und spielte meinen Anruf bei Sarah ab. Diesmal kommentierte er die Aufnahme. Sarah habe ihm einige Tage zuvor per E-Mail mitgeteilt, dass ich mich bei ihr gemeldet hatte. Er, Elliott, sei besorgt gewesen, weil ich offenbar nie über Annies Tod hinweggekommen sei und mit mehreren ihrer alten Freunde Kontakt aufgenommen habe. Für den Fall, dass eine einstweilige Verfügung nötig werden sollte, habe er Sarah gebeten, meine Telefonate mit ihr aufzuzeichnen.
    »Nathaniel, sind Sie sich bezüglich der Ereignisse ganz sicher?« Plötzlich wurde er sehr freundlich. »Sie sind völlig übermüdet. Sie wurden fast in die Luft gesprengt. Sie waren krank. Da fällt einem die Konzentration schwer, was? Sie können höchstens beweisen, dass Sie gerade einen psychotischen Schub durchmachen.«
    Ich verstummte. Verrückt war ich nicht, aber ich war zu ausgelaugt, um mich dieser Attacke zu widersetzen. Zumindest für den Augenblick. Wer außer mir hatte Annie gesehen? Erin nicht. Sie hatte eine Augenbinde getragen. Andy Goldsteins Tagebuch hatte nur
ich gelesen. Das Beweismaterial im Café war vernichtet. Aber es gab merkwürdige Zufälle, wie die Tatsache, dass Velarde, der Annies Tod untersucht hatte, in San Francisco ums Leben gekommen war. Sprach das für oder gegen mich?
    »Erin wird meine Aussage bestätigen«, entgegnete ich schließlich. »Sie war dabei und hat alles gesehen.«
    Elliotts Antwort ließ grelle Neonlichter in meinem Kopf aufflammen. »Sind Sie eigentlich schwer von Begriff? Was glauben Sie denn, wer das Café in die Luft gesprengt hat?«

57
    Ich verschränkte die Finger und presste die Hände fest unter das Kinn. Der ganze Raum schien plötzlich von einem süßen Duft erfüllt, der mich an Malventee erinnerte und mir in die Kehle stieg. Ich schluckte, um ihn zurückzudrängen. Wie in Zeitlupe sah ich Elliott auf mich zukommen. Geradezu liebevoll nahm er mir den Laptop ab, der anfing, mir aus den Händen zu gleiten. Ich war geschlagen.
    »So ein Schwachsinn«, sagte ich.
    »Man weiß nie, wem man trauen kann.«
    Ich zerrte an dem Laptop, und er ließ los. Dann holte er aus seiner Jackentasche eine kleine Pistole, aus deren Spitze ein noch kleinerer Pfeil ragte.
    »Ich bin Anwalt, kein Killer. Deswegen arbeite ich auch lieber mit Betäubungsspritzen.«
    Ich ließ los.
    »Gut. Ich würde nur ungern nachweisbare Substanzen in Ihrem Körper hinterlassen.«
    Elliott tastete meine Taschen ab, um sicherzugehen, dass ich keine Aufnahmegeräte bei mir hatte, wie er mir erklärte. Nachdem er mir mein Handy abgenommen hatte, verließ er gemeinsam mit Glenn Kindle den Raum.

    Ich musste zu Annie, aber mir fehlte die Energie, mich zu bewegen. Die Frage, welche Beweise ich hatte, ließ mich nicht los. Wusste ich überhaupt irgendetwas mit Sicherheit? Die Besprechung mit den Topmanagern war unmissverständlich und real gewesen. Niemand konnte bestreiten, dass eine manipulative Technologie im Einsatz war. Das mussten diese Leute bezeugen. Es konnte nicht schwer sein, sie entsprechend unter Druck zu setzen. Oder doch? Konnten sie mich einfach ignorieren, weil ich als Wahnsinniger abgeschrieben war? Der Laptop war der Schlüssel. Aber konnte ich überhaupt beweisen, dass die Software auf dem Rechner installiert war, selbst wenn ich den Computer wieder in die Finger bekam?
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