Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
mir. Darf ich …?«
    »Aber natürlich. Kommen Sie bitte herein. Sie müssen entschuldigen, ich hatte noch keine Zeit, meine Kammer einzurichten.«
    »Verständlich, Leutnant. Dies war Leutnant Pordes Kammer. Sein Verlust hat uns alle schwer getroffen. Solch ein sinnloser Tod.«
    »Es war ein Unfall, wie ich hörte?«, hakte Roxane nach, die bislang nur wenige Informationen und Gerüchte über ihren Vorgänger und dessen Ableben in Erfahrung hatte bringen können.
    »Beim Aufnehmen einiger Fässer hat sich ein Tau gelöst«, erzählte der Kaplan. »Es war keine Schlamperei seitens der Mannschaft, einfach nur ein Unglück. Jedenfalls konnten wir nichts mehr für den Leutnant tun.«
    »Das tut mir sehr leid«, erwiderte Roxane ehrlich. Insgeheim beobachtete sie den Mann. Er trug sein Haar entgegen der aktuellen Mode kurz, nach imperialem Stil. Er hatte große, knochige Hände, die aussahen, als wäre er das Zupacken gewöhnt, und sein Antlitz war von Wind und Sonne gezeichnet. Seine Augen erstaunten Roxane, denn sie waren hell, fast gänzlich weiß. Blind , erkannte sie schlagartig, er ist blind ! Stumm starrte sie ihn an, da ihr buchstäblich die Worte fehlten.
    »Darf ich?«, fragte Sellisher und deutete auf einen Krug mit Wasser, der auf dem Tisch stand. Verwirrt brummte Roxane zustimmend und sah überrascht, wie der Kaplan mit sicherem Schritt zum Tisch ging und den Holzkrug aufnahm, um daraus einen Schluck zu trinken. Seine Augen blickten jedoch starr geradeaus.
    »Verzeiht meine Anmaßung«, begann Roxane und versuchte, ihre Frage im Geiste höflich zu formulieren. Bevor sie jedoch zu einem Ergebnis kam, lächelte Sellisher und strich mit dem Zeigefinger über seine Augenbraue.
    »Meine Augen?«
    »Ähem … ja«, gestand die junge Frau.
    »Das Augenlicht fehlt mir, solange ich mich zurückerinnern kann. Vielleicht wurde ich schon so geboren. Doch der Wille der Einheit ist unergründlich, und so empfing ich als junger Mann ihren Ruf. Meine Augen können nicht sehen, aber mein Geist nimmt die Kraft der Einheit wahr.«
    »Ich … ich hätte gedacht, dass Sie als Kaplan der Magie abhold wären?«, warf Roxane neugierig ein.
    »Natürlich, Leutnant, natürlich. Wie bei allen Caserdote kann Magie mich nicht berühren. Aber ich nehme die Kraft wohl wahr, die uns umgibt. Ich kann nur annehmen, dass es eine völlig andere Wahrnehmung als Ihre Sicht ist; immerhin fehlt mir jeglicher Vergleich. Aber ich kann Objekte erkennen, ob nun beseelt oder nicht.«
    »Mir war nicht bewusst, dass so etwas möglich ist«, gestand die junge Frau stirnrunzelnd. Natürlich kannte sie die von der Einheit gesegneten Caserdote und wusste um deren Fähigkeit, den Fluss magischer Kräfte zu hemmen oder sogar ganz zu unterbinden. Aber dass sie auch eine Sinneswahrnehmung der Magie hatten, war eine neue Erkenntnis.
    »Es ist nicht leicht zu erlernen. Ich nehme an, dass nur wenige meinen, nun ja, Ehrgeiz dabei entwickeln. Die Einheit nahm mir das Augenlicht, schenkte mir dafür aber diese Sicht. Es ist nicht an mir, an ihren Entscheidungen oder Weisungen zu zweifeln.«
    »Natürlich nicht, Thay.«
    »Die Einheit ist es, die uns alles gibt, Leutnant. Manchen die Kraft der Magie, anderen die Fähigkeit, diese zu unterbinden. Verstand und Körper, Geist und Materie, Himmel und Erde, Nacht und Tag, Gutes wie Böses … doch ich beginne bereits zu predigen«, schloss der Kaplan mit einem kurzen Lachen.
    »Keineswegs«, widersprach Roxane, die ebenfalls lächeln musste, aber Sellisher schüttelte den Kopf: »Wenn Sie mit mir beten wollen: Ich halte jeden Morgen und jeden Abend eine kleine Andacht auf dem Achterdeck, wozu ein jeder herzlich eingeladen ist. Und einmal in der Woche begehe ich eine Messe; diese ist natürlich Pflicht für jedes Mitglied der Besatzung. Ich würde mich dennoch freuen, Sie auch bei den Andachten begrüßen zu dürfen.«
    »Sie können mit mir rechnen, Thay, wenn es mein Dienstplan erlaubt«, versicherte Roxane.
    »Natürlich stehe ich Ihnen auch sonst jederzeit zur Verfügung, wenn Sie meine Hilfe benötigen. Ich bin nur ein einfacher Diener der Einheit, aber manchmal reicht schon ein so gewöhnlicher Rücken wie der meine, um Sorgen darauf abladen zu können.«
    »Ich werde daran denken«, versprach die junge Frau, obgleich sie sicher war, dass sie auf dieses Angebot kaum eingehen würde. Auch wenn ihre Familie streng gläubig war, so hatte ihr Vater stets betont, dass die Einheit jedem die Möglichkeiten gegeben hatte, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher