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Stufen: Ausgewählte Gedichte

Stufen: Ausgewählte Gedichte

Titel: Stufen: Ausgewählte Gedichte
Autoren: Hermann Hesse
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sich im Gras die Hunde,
Heuwagen knarren fern durchs heiße Land.
    Wir sitzen lang im Schatten, alte Leute,
Ein Buch im Schoß, geblendete Augen senkend,
Freundlich gewiegt vom sommerlichen Heute,
Doch heimlich der Vorangegangenen denkend,
Für die nicht Winter mehr noch Sommer tagen
Und die doch in den Hallen, auf den Wegen
Uns nahe sind und unsichtbar zugegen
Und zwischen Dort und Hier die Brücke schlagen.

B ERICHT DES S CHÜLERS
    Mein Lehrer liegt und schweigt schon manche Tage.
Oft weiß ich nicht, ob er mit Schmerzen ringe,
Ob mit Gedanken. Wenn ich etwas sage,
So hört er nicht. Doch wenn ich sitz und singe,
Lauscht er geschlossenen Auges wie entrückt,
Vielleicht ein Wissender des höchsten Grades,
Vielleicht ein Kind, von etwas Klang beglückt,
Doch stets der Regel treu des Mittlern Pfades.
    Zuweilen regt er die erstarrte Hand,
Als hielte sie den Schreibestift und schriebe.
Dann wieder ist der Türe zugewandt
Sein Blick mit einer unsagbaren Liebe,
Als hör er Boten nahn auf Engelsflügeln
Und sähe Himmelspforten offen stehn
Oder auf seiner fernen Heimat Hügeln
Wie einst im Morgenhauch die Palmen wehn.
    Oft ist mir bang, als sei ich krank statt seiner,
Als wär ich selber grau, erloschen, alt
Und jener dünnen Blätterschatten einer,
Wie sie der Morgen an die Mauer malt.
Doch er, der Meister, scheint von Wirklichkeit,
Von Sein, von Wesen ganz getränkt und trächtig.
Indes ich schwinde, wird er weltenweit
Und füllt die Himmel strahlend und allmächtig.

P ROSA
    Auf einen Dichter
    Ihm macht das Verseschreiben kein Vergnügen,
Mit dem wir Schüler uns so gerne plagen.
Auch er genoß zwar einst in Jugendtagen
Das mühvoll-süße Spiel in vollen Zügen.
Nein, diese schöne Kunst der Silbenmaße,
Des Reims, des Odenbaus, der Versverschränkung
Lockt ihn nicht mehr zu übender Versenkung,
Zu glatt scheint, zu gebahnt ihm diese Straße.
Zu leicht scheint ihm auf diesem Weg erreichbar
Das Schöne, sei es auch mit tausend Mühen.
Er weiß von Zaubern, die verborgner blühen,
Von Wirkungen geheim und unvergleichbar.
    So schlicht, unfeierlich und fast alltäglich
Geht seine Prosa! Sie ihm nachzuschreiben
Scheint Kinderspiel, doch laß es lieber bleiben.
Denn schaust du näher hin, so wird unsäglich,
Was harmlos einfach schien, aus Nichtigkeiten
Wird eine Welt, aus Atem Melodien,
Die scheinbar zwecklos und vergnüglich gleiten,
Doch sich auf andre mahnend rückbeziehen
Und neue, nie erwartete vorbereiten.
Am Ende wird ein Schriftsatz seiner Feder,
Den wir zuerst so leichthin überlasen,
Zur Felsenlandschaft mit Vokal-Oasen,
Aus einem Silbenfall rauscht Wind und Zeder,
Ein Mondstrahl läßt voll Silber Golfe blinken,
Ein Beistrich öffnet Wald- und Gartenpfade,
Wie buhlerisch scheint eine Assonanz zu winken,
Ein Fragezeichen wirkt wie Glück und Gnade.
    Wie er es macht, wie er aus diesen simpeln
Worten des Tages ohne Zwang und Spreizen
Dichtwerke zaubert voll von tiefen Reizen
Und Silben tanzen läßt gleich wehenden Wimpeln,
Dies, Freunde, werden wir nie ganz verstehen.
Uns sei genug, mit Ehrfurcht zuzusehen
So wie wir aufs Gebirg und auf die blauen
Falter am Bach und auf die Blumen schauen,
Die auch, so scheint es, sich von selbst verstehen,
Doch Wunder sind für Augen, welche sehen.

DIE SPÄTEN GEDICHTE
1944 bis 1962

L EB WOHL , F RAU W ELT
    Es liegt die Welt in Scherben,
Einst liebten wir sie sehr,
Nun hat für uns das Sterben
Nicht viele Schrecken mehr.
    Man soll die Welt nicht schmähen,
Sie ist so bunt und wild,
Uralte Zauber wehen
Noch immer um ihr Bild.
    Wir wollen dankbar scheiden
Aus ihrem großen Spiel;
Sie gab uns Lust und Leiden,
Sie gab uns Liebe viel.
    Leb wohl, Frau Welt, und schmücke
Dich wieder jung und glatt,
Wir sind von deinem Glücke
Und deinem Jammer satt.

B EIM W IEDERLESEN VON ›H EUMOND ‹
UND ›S CHÖN IST DIE J UGEND ‹
    Unbegreiflich fremd und ferne
Blickt die Jugendheimat her,
Ihre Sonnen, ihre Sterne
Leuchten meinem Weg nicht mehr,
Ihre Freuden und Beschwerden
Heute Lied und Sage sind,
Ihre Namen und Gebärden
Kaum noch Blätterspiel im Wind.
Aber hier auf Buches Zeilen
Stehen sie zum Bild gebannt,
Warten treulich und verweilen,
Haben Form und halten Stand.
Und nach leidgetränkten Jahren,
Die so vieles uns zerstört,
Wird der Welt, die wir einst waren,
Sage immer noch gehört.
Ihre Runen werden bleicher,
Ihre Töne fern und zart,
Doch sie hat in zauberreicher
Anmut ewige Gegenwart.

I M S CHLOSS B REMGARTEN
    Wer hat einst die alten Kastanien gepflanzt,
Wer aus dem steinernen
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