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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika
Autoren: Bill Bryson
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alle Flugzeuge voll werden, um ihre Gewinne zu maximieren, denn wenn sie emsig Gewinne scheffelt, wird sie in den Stand versetzt, mehr und bessere Dienste anzubieten. Offenbar glaubte der Mann das wirklich.
    Ich habe schon lange den Verdacht, daß die Betreiber der hiesigen Fluglinien den Bezug zur Realität vollkommen verloren haben, und jetzt, habe ich, glaube ich, den endgültigen Beweis. Die New York Times untersucht in einem Bericht, wie selten auf Inlandsflügen nun noch Essen serviert wird und wie viel frugaler das Angebot im Verhältnis zu früher ist. In dem Artikel wird eine Sprecherin von Delta Airlines, eine Cindy Reeds, mit dem Satz zitiert: »Die Fluggäste haben uns gebeten, das Essen abzuschaffen.«
    Wie bitte??? Die Kunden haben darum gebeten, daß ihnen keine Mahlzeiten mehr serviert werden? Ehrlich, das zu – ähm, schlucken, finde ich ein bißchen hart.
    Im weiteren Verlauf des Artikels erklärt Ms. Reeds die interessante Argumentationsweise ihrer Firma: »Vor etwa eineinhalb Jahren«, behauptet sie, »haben wir unter tausend Passagieren eine Umfrage veranstaltet... und sie haben alle gesagt, sie wollten niedrigere Flugpreise. Daraufhin haben wir die Mahlzeiten abgeschafft.«
    Also, Moment mal, Cindy. Wenn man die Fluggäste fragt: »Wollen Sie niedrigere Flugpreise?« und sie dann »Ja, selbstverständlich« antworten (was man ja auch mehr oder weniger erwarten würde, oder?), ist das noch lange nicht dasselbe, als wenn sie sagen: »Ja, selbstverständlich, und wenn Sie schon mal dabei sind, dann schaffen Sie doch auch bitte das Essen ab.«
    Aber versuchen Sie mal, diesen Einwand (wie überhaupt etwas) einer Fluggesellschaft klarzumachen. Wenigstens sülzte Cindy nicht, daß Delta Airlines, um den Aufenthalt an Bord so angenehm wie möglich zu machen, kein Essen mehr anbot –doch, recht bedacht, hätte sie es vielleicht sagen sollen.
    Wie dem auch sei, in dem Bemühen, Ihnen stets mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, höre ich hier auf.

    Schnee von gestern

    »Wissenschaft entdeckt Geheimnis des Alterns« verkündete neulich eine Schlagzeile in unserer Zeitung, was mich überraschte, weil ich Altwerden nie für ein Geheimnis gehalten habe. Es passiert. Was ist denn daran geheimnisvoll?
    Es hat ja auch drei gute Seiten. Ich darf im Sitzen schlafen, ich kann nach Herzenslust Auf der Flucht -Wiederholungen sehen, ohne daß ich mich erinnere, wie sie enden, und das dritte fällt mir jetzt nicht ein. Das ist natürlich schade beim Älterwerden – man behält nichts mehr.
    Bei mir wird's immer schlimmer. Zunehmend häufiger führe ich Telefongespräche mit meiner Frau, die etwa so verlaufen:
    »Hallo, Liebes. Ich bin in der Stadt. Warum bin ich hier?«
    »Losgegangen bist du, um dir die Haare schneiden zu lassen.«
    »Danke.«
    Man sollte meinen, ich würde mich mit zunehmendem Alter bessern, weil ich weniger Hirn übrig habe, mit dem ich geistesabwesend sein kann, aber so funktioniert es offenbar nicht. Kennen Sie das nicht auch? Die Jahre verstreichen, und man findet sich immer häufiger in einem Teil des Hauses wieder, den man sonst eher selten aufsucht – wie zum Beispiel die Waschküche –, schürzt die Lippen, schaut sich angestrengt um und versucht sich mühsam zu erinnern, warum man dort ist. Wenn ich früher denselben Weg zurückgegangen bin, fiel mir stets ein, warum ich ursprünglich losgezogen war. Jetzt nicht mehr. Jetzt weiß ich nicht einmal mehr, von wo ich losgegangen bin. Und habe immer öfter einen totalen Blackout.
    Dann wandere ich zwanzig Minuten durchs Haus und suche Spuren kürzlicher Veränderung oder Aktivität – ein Dielenbrett, das sich gehoben hat, eine tropfende Wasserleitung oder am Ende gar einen Telefonhörer, der neben dem Apparat liegt und aus dem ein komisches Stimmchen quäkt: »Bill? Bist du noch dran?« Jedenfalls schaue ich nach etwas, das mich veranlaßt haben könnte, aufzustehen und mich auf die Suche nach einem Notizblock oder dem Hauptabsperrhahn oder Gott weiß was zu begeben. Im Verlauf dieser Wanderungen finde ich normalerweise etwas anderes, um das ich mich kümmern muß – wie zum Beispiel eine geplatzte Glühbirne. Also gehe ich zum Küchenschrank, wo die Glühbirnen aufbewahrt werden, öffne die Tür und... ja, genau, habe keine Ahnung, warum ich dort bin. Und dann fängt alles wieder von vorne an.
    Besonders die Zeit ist mein Ruin. Wenn sich einmal etwas in die Vergangenheit verflüchtigt hat, ist es für mich unwiederbringlich verloren. Der
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