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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
Autoren: Wolf Schreiner
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unentwegt auf die Uhr. Seit fast drei Stunden war der Junge nun verschwunden.
    Da fiel Baltasars Blick auf die Liste mit den Ministranten-Adressen: Jonas. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht, Jonas war Sebastians bester Freund, die beiden gingen in dieselbe Klasse. Er rief die angegebene Telefonnummer an. Eine Männerstimme meldete sich.
    »Hallo.«
    »Guten Tag, hier spricht Pfarrer Senner, Baltasar Senner, entschuldigen Sie die Störung am Sonntag.«
    »Macht doch nichts, Hochwürden.« Der Tonfall drückte das Gegenteil aus. »Was wollen’s denn?«
    »Ich würde gern den Jonas sprechen wegen des Ministrantendienstes.«
    »Warum? Hat sich der Saubua schlecht benommen?«
    »Nein, nein, keine Sorge, alles in Ordnung. Ich sitze nur gerade an der Planung für die nächsten Termine und wollte klären, wann es dem Jungen passt.« Innerlich bat Baltasar den lieben Gott um Verzeihung für die Notlüge.
    »Der Bua hat da gar nichts zum Reden, er soll antanzen, wann Sie es ihm sagen, damit basta!«
    »Dazu müsste ich ihn eben kurz sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, ihn ans Telefon zu holen.«
    »Würd ich ja. Aber der Bua hat sich gleich nach dem Frühstück verdrückt, statt für die Schule zu lernen. Vermutlich steckt er in diesem Freizeittreff, bei seinen Freunden. Nichts als dumme Gedanken hat der Jonas grad im Schädel, sag ich Ihnen, und keine Zeit für Hausaufgaben.«
    Mit einer weiteren Ausrede beendete Baltasar das Gespräch. Er wusste nun, wo er zu suchen hatte, und schwang sich aufs Rad. Sein Ziel war ein ehemaliger Lagerraum im Hinterhof der Metzgerei, der als provisorischer Treffpunkt für die Jugendlichen des Ortes eingerichtet worden war.
    Baltasar musste sich erst an das Halbdunkel gewöhnen. Mitten im Raum stand ein Kicker, an der Wand zwei durchgesessene Sofas. Aus einer Stereoanlage dröhnte ein Lied der Rockgruppe Rammstein. Auf der anderen Seite stand ein Tisch mit zwei Computern, ein Gerät war eingeschaltet, davor saß ein Junge mit Kopfhörern.
    »Jonas?«
    Der Junge reagierte nicht. Baltasar drehte die Anlage leiser und schüttelte ihn an der Schulter. Jonas drehte sich um und nahm seine Kopfhörer ab. Auf dem Monitor war zu sehen, dass er gerade irgendwelche Soldaten mit Maschinenpistolen steuerte, die in Häuserruinen auf ihre Gegner lauerten.
    »Sie sind’s, Herr Pfarrer. Was tun Sie denn hier? Wollen’s mitmachen? Ein Platz ist noch frei.« Er grinste und deutete auf den Computer neben sich.
    »Nein, danke. Dein Vater hat mir gesagt, dass ich dich hier finde. Ich habe ein Problem, bei dem du mir helfen kannst.«
    »Brauchen’s einen Ersatz als Ministranten? Kann ich machen, kein Problem, geht klar.«
    »Ich bin auf der Suche nach Sebastian. Der ist heute nach der Messe einfach verschwunden. Vielleicht hast du eine Idee, wo er stecken könnte, ich mache mir Sorgen.«
    »Da brauchen’s sich keinen Kopf zu zerbrechen, der Sebastian wird schon wieder auftauchen, so wie ich ihn kenn.«
    »Wo könnte er denn sein? Ich hab schon den ganzen Ort nach ihm abgesucht.«
    »Weiß nicht. Vielleicht auf dem Fußballplatz?«
    »Da war ich schon.«
    »Probieren Sie’s doch noch mal bei ihm daheim.« Jonas blinzelte. »Der liegt bestimmt wieder im Bett und pennt.«
    »Hab erst vor Kurzem dort angerufen.«
    »Das ist schon wieder ein Zeitlang her, denk ich. Schaun’s doch direkt dort vorbei. Sie wissen ja, wo er wohnt.«
    Baltasar vernahm ein Surren in gleichmäßiger Tonlage, das nicht zu der Musik im Hintergrund passte. Es schien vom Lüfter des Computers direkt vor ihm herzurühren. Da kam ihm ein Gedanke. Er setzte sich auf den freien Platz. »Ich glaube, ich habe doch Lust, eine Runde zu spielen. Ist doch was anderes, als nur Weihrauchkessel zu schwenken, oder?« Er zwinkerte Jonas zu. Der blickte entgeistert. »Also, wie geht das?« Baltasar bewegte den Joystick. Sofort leuchtete der Bildschirm auf und zeigte dieselbe Spielszene, die auch auf dem anderen Computer zu sehen war: Soldaten in einer Ruinenlandschaft. Sein Verdacht hatte sich bestätigt, das Gerät war die ganze Zeit angeschaltet gewesen. »Wie ich sehe, läuft das Spiel im Multiplayer-Modus. Wir beide sind also ein Team, oder?« Wieder zwinkerte Baltasar zu Jonas hinüber. »Nun, was ist? Wo sind unsere Feinde? Wir sind doch die Guten, oder?« Baltasar steuerte seine Kunstfigur auf dem Monitor und feuerte ein paar Mal in eine Mauer. Ziegelbrocken flogen herum. »Geht doch.«
    Noch immer schaute ihn der Junge an, als sei ihm
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