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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Rückgabeschale geholt. Sie versuchte es wieder. Fast hätte sie den Markstück-Schlitz erwischt; sie konnte die Hand noch zurückreißen. Jetzt rasselte der Groschen durch die Sperren, klimperte unten in den Behälter… Den zweiten hinterher!
    Er lief glatt durch. Das Freizeichen. Aufreizend gedehnt. Tüt-tüüüüt… tüt-tüüüüt…
    Aber Buth war fast heran. Keine zehn Meter mehr.
    Ein dumpfer, schmerzhafter Druck hinter den Augäpfeln. Wehmut, Trauer, um die ungelebten Tage. Was hätte alles werden können…
    Sie wählte.
    Die Eins… Die Scheibe schnurrte zurück.
    Noch mal die Eins… Wieder schnurrte die Scheibe zurück. Nun die Null… Sie steckte den Finger in die letzte Rundung der zerschrammten Wählerscheibe, zog sie bis zum Anschlag herum und…
    Da riß Buth die Tür auf.
    „Schluß damit!“
    Seine linke Hand riß den Haken herunter, seine rechte bohrte ihr den Lauf der Waffe in die Hüfte.
    Sie hörte ihre Stimme – zum letztenmal, dachte sie: „Machen Sie’s kurz!“

 
    16
     
     
     
    „Sind Sie verrückt?!“ keuchte Buth. „Ich tu Ihnen doch nichts!“
    Katja starrte auf die Pistole. „Ja, aber…“
    „Ich muß nur verhindern, daß Sie Dummheiten machen.“ Er steckte die Waffe in die Hosentasche.
    „Und Trey!?“ würgte Katja hervor.
    „Kommen Sie; es braucht uns keiner zu sehen.“
    „Wohin denn?“
    „Zum Haus zurück.“
    „Und dann?“
    „Ich habe mit Ihnen zu reden.“
    Sie hatte keine andere Wahl, sie mußte ihm folgen. Sie dachte in diesen Augenblicken nichts mehr, sie fühlte nichts mehr, sie war nichts weiter als eine Maschine aus Fleisch und Blut. Denken, Beten, Reflektieren – alles war sinnlos. Ist der Moment der Exekution gekommen, hat sich das Erschießungskommando formiert, helfen dem Todeskandidaten keine Gefühlsregung und kein Gedanke mehr; alles läuft mit einer mechanischen Unausweichlichkeit ab. Auflehnung betäubt, ja; ist aber ein unzureichendes Mittel, das eigene Sterben zu verhindern.
    Katja bäumte sich nicht auf. Sie hoffte noch. Sie hoffte auf ein Wunder – auf einen plötzlichen Besucher, eine Chance zur Flucht. Sie wußte genau, was Buth wollte. Es lag ja auf der Hand: einen Doppelselbstmord vortäuschen. Motiv: Liebe ohne Ausweg…Das ließ sich kinderleicht konstruieren. Trey liebte sie, aber seine Frau hätte das nie hingenommen; also gemeinsam in den Tod… Trey erschoß erst sie, dann sich… Ein Kämena würde nie dahinterkommen.
    „Ich habe Trey nicht erschossen“, sagte Buth.
    „Für wie dumm halten Sie mich eigentlich?“
    „Er war mein Freund. Wir sind zusammen aufgewachsen, und…“
    „Ihr Freund? Sie haben doch keine Freunde. Für Sie sind doch die Menschen nur Werkzeuge!“ Wenn sie schon sterben sollte, dann wollte sie diesem Lumpen vorher noch durch dick und dünn die Meinung sagen.
    „Wir haben um die Waffe gekämpft, und da hat sich der Schuß gelöst… Er hatte doch die Pistole in der Hand!“
    „Dann lassen Sie mich doch die Polizei rufen!“
    Buth schwieg einen Augenblick.
    Es hatte aufgehört zu regnen; der Wind riß die Wolken auseinander, der Mond kam durch. Vor ihnen schimmerte der Fluß. Aus Treys Bungalow drang warmes orangefarbenes Licht. Und da drinnen lag er nun, in einer Blutlache…
    Sie gingen weiter.
    „Keine Macht der Welt kann Trey mehr zum Leben erwecken“, sagte Buth.
    „Wie wahr!“ höhnte Katja. Ihre Füße brannten. Vielleicht fand sie die Sandalen unterwegs. Aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an.
    „Wenn Sie die Polizei alarmieren, kann mich nur eines retten: die Wahrheit, die volle Wahrheit.“
    „Genau.“
    „Und ob das reicht, ist fraglich. Wenn Sie nämlich behaupten, ich hätte Trey erschossen, dann…“
    „Es bleibt Ihnen also nichts weiter übrig, als mich auch noch zu erschießen – sagen Sie’s doch.“
    „Wenn das alles rauskommt, bin ich erledigt. Als Mensch, als Unternehmer, als Mann, der in Bramme die Weichen stellt. Aber das ist mein Leben, ein anderes kann ich nicht führen.“
    „Dann lassen Sie’s!“
    „Sie allein können mir helfen, Katja!“
    „Als Leiche, ja.“
    „Ich bin ein skrupelloser Mensch, ein Ausbeuter – aber kein Mörder!“
    „Es fliegt doch sowieso alles auf: Wätjen!“
    „Der wird den Mund halten. Effektiv, mit Strafaussetzung zur Bewährung und so, wird er zwei Jahre sitzen. Dafür hat er eine Menge Geld, wenn er wieder rauskommt. Da kann er seine Kinder studieren lassen und sich sonstwas leisten. Zum einen ist er mir hörig, zum
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