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Stinker!

Stinker!

Titel: Stinker!
Autoren: Bastei Lübbe
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meinem Fall ging es um vier weitere vierte Klassen. Und das heißt, wir sprechen über einhundert Viertklässler. Wir sprechen über zweihundert Augen, die jetzt alle auf mich gerichtet waren. Wir sprechen über hundert Finger an einhundert Nasen, und alles mir zu Ehren.
    Frag mich nicht, wie sich die Nachricht über das Anthonyereignis so schnell herumsprechen konnte. Solche Sachen verbreiten sich mit Lichtgeschwindigkeit. Sie werden von einem Kinderohr in das nächste geflüstert, bis sie in jedes einzelne Ohr geflüstert worden sind. Die Geschichte selbst aber bleibt niemals dieselbe, denn die Kinder fügen immereine kleine Einzelheit hinzu, damit es schön spannend bleibt. Ich bin mir sicher, zum richtigen Zeitpunkt ging die Geschichte schon so, dass ich so sehr gestunken hätte, dass mein Tisch in Flammen aufgegangen war. Ich wette, dass es jetzt schon hieß, dass die Farbe von den Wänden unseres Klassenzimmers runtergekommen war. Ich wette, dass …
    Gerade, als ich mir eine weitere scheußliche Variante vorstellte, spürte ich, wie jemand an meinem Ärmel zupfte.
    »Ich war es nicht«, blubberte es aus mir heraus.
    »Na, du benimmst dich aber nicht gerade so, mein Freund«, erwiderte eine Stimme. Die Stimme und das Zupfen kamen von meinem besten Freund Scott. »Komm schon, stellen wir uns an«, sagte er.
    Heute war Freitag, Pizza-Tag. Wenigstens eine Sache, über die ich mich freuen konnte, und ich folgte Scott ans Ende der Schlange. Dabei war ich mir der auf mich gerichteten Blicke bewusst und des andauernden Flüsterns. Und dann passierte es. Ein Junge, dessen Namen ich nicht einmal kannte, einer aus Mrs Roths Klasse, sagte, als ich an dem Tisch vorbeikam, an dem er und seine Freunde saßen: »Da kommt der Stinker…«
    Als ich dann das Ende der Schlange erreichte, die ziemlich lang war, eilten die Kinder ohne etwas zuessen an ihre Tische zurück. Wieder hörte ich: »Bah, das ist der Stinker!« Diesmal wusste ich nicht, wer es gesagt hatte, aber die Schlange hatte sich aufgelöst.
    »Das ist hammergeil!«, fand Scott. »Die Schlange ist weg.«
    »Das ist gar nicht hammergeil«, sagte ich, als wir weitergingen, um unser Essen zu holen.
    »Keine Schlange am Pizzatag, das finde ich hammergeil. Wann hat es denn das schon mal gegeben?«, meinte er.
    »Und weißt du auch, warum hier am Pizzatag keine Schlange mehr ist?«, fragte ich gereizt.
    »Na ja, du hast heute bei der Morgenrunde in eurer Klasse ein Mordsding von der Leine gelassen«, antwortete er und nahm sich eine Schokoladenmilch.
    »Ich habe heute bei der Morgenrunde kein Mordsding losgelassen«, sagte ich und nahm mir auch eine.
    »So hab ich das aber nicht gehört. Ich hab gehört, dass du alles mächtig durcheinandergebracht hast. Ich hab gehört, dass Mr C sogar in den Abfalleimer gekotzt hat!«
    »Willst du mich verarschen? Glaubst du wirklich, dass ich das im Klassenzimmer machen würde? Glaubst du wirklich, Mr C würde in den Abfalleimer kotzen?«, fragte ich.
    Mrs Lamery von der Essensausgabe musste unser Gespräch mitgehört haben, denn sie sagte hinter der Theke: »Ich hab gehört, Mr C hätte dir auf die Schuhe gekotzt.«
    »Niemand hat gekotzt«, schrie ich.
    »Okay, bleib locker. Das macht 1,25 bitte«, sagte sie mit einem Lächeln.
    »Ich hab gehört, dass er gekotzt hat«, sagte Scott wieder.
    »Rrrrrr«, knurrte ich.

Warum soll ich überhaupt hinhören?
    Nach der Mittagspause machte Mr C endlos mit berühmten Naturwissenschaftlern weiter und erklärte uns, welch große Bedeutung ihre Erkenntnisse bis heute haben. Er sagte, sie hätten Krankheiten geheilt, neue Dinge und Orte entdeckt und versucht, die Welt zu verbessern. »Revolutionäre Denker«, wie Mr C sie immer nennt: Menschen, die nachdenken und Sachen entdecken, die noch keiner vor ihnen jemals erkannt hat. Er meinte, wir sollten auch versuchen, wie große Wissenschaftler zu denken, wenn wir unser Forschungsprojekt für den Präsentationsabend planten. Wir sollten uns eine Idee für das Projekt überlegen und es nächste Woche zur Bewilligung präsentieren.
    Ich war immer noch ziemlich sauer, weil man mich anstatt Anthony für einen Stinker hielt. Das Mittagessen war nicht besonders erfreulich gewesen.Ständig sagten die alle so Dinge zu mir wie: »Vielleicht gehst du besser doch zur Krankenstation« oder »Das nächste Mal gehst du gleich aufs Klo.« Und ein paar Mal wurde ich sogar noch als der Stinker bezeichnet. Ich versuchte, nicht weiter darauf zu achten und an irgendwas
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