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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht
Autoren: Laura Brodie
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respektierte. Doch als sie ihm ihren Verdacht, Kyle sei Kleptomane, geschildert hatte, reagierte der junge Mann skeptisch.
    »Sie haben ihn das Armband also nicht nehmen sehen?«
    »Nein, aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass er meinen Button hat.«
    »Diese Buttons gibt es überall. Woher wollen Sie wissen, dass es Ihrer ist?«
    »Beweisen kann ich es natürlich nicht.«
    »Hören Sie, wir können ein Auge auf diesen Studenten haben und mal sehen, ob es noch weitere Beschwerden gibt. Aber in der Zwischenzeit   … warum warten Sie nicht einfach eine Weile ab? Vielleicht taucht das Armband ja wieder auf.«
    Er hatte recht. Emma hatte nicht gesehen, dass Kyle es mitgenommen hatte. Es gab keinen konkreten Beweis, und um ehrlich zu sein, neigte sie sogar dazu, Dinge zu verlieren. Es wäre peinlich gewesen, eine Anschuldigung zu erheben und dann einen Monat später das Armband hinter dem Schreibtisch wiederzufinden, wo es hingerutscht war. Also hatte sie sich gesagt:
Lass los
.
Mach nicht so ein Aufhebens darum.
    Doch als sie Kyle jetzt hier auf ihrem Grundstück mit einer Dose Budweiser in der Hand stehen sah   – vermutlich hatte er auch schon auf ihre Blumen gepinkelt   –, spürte sie, wie die monatelange Spannung plötzlich hochzukochen begann.
    »Hallo, Professor Greene«, sagte Jacob. »Sorry, dass wir hier einfach so auftauchen.« Mit einem breiten Lächeln trat er auf sie zu. »Aber es ist eine so wunderschöne Nacht. Als wir hier vorbeikamen und den Schein des Vollmonds auf Ihrem Bach sahen, mussten wir einfach anhalten und den Anblick genießen.«
    Jacob strahlte immer sehr viel charmante Höflichkeit aus, wenn er sprach, doch Emma vermutete, dass es reine Fassade war, auch wenn sie es zu schätzen wusste. Seine Aussprache war so klar, dass sie sich fragte, ob Jacob gar nichts getrunken hatte. Aber vielleicht war er auch nur der Typ, dem Bierdie Zunge nicht schwer machte und dessen Gedanken bei einem gewissen Blutalkoholspiegel schärfer wurden.
    »Ich habe Ihr Auto gar nicht gehört«, sagte Emma. Er wies die Anhöhe hinauf, wo ein Range Rover am Straßenrand parkte. Die Studenten fuhren immer riesige Wagen, ohne je die gravierenden Folgen für Mutter Natur zu bedenken.
    Emma sah zum Mond hinauf, der in diesem Moment hinter einer Wolke verschwand. »Ich muss Sie bitten, sich wieder auf den Weg zu machen. Meine Tochter versucht gerade einzuschlafen.«
    »Aber sicher.« Jacob lächelte immer noch.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihre Toilette benutze, bevor wir fahren?« Das unsichtbare junge Mädchen hatte gesprochen.
    »Natürlich nicht.« Emma zeigte auf das Haus. »Sie ist im Erdgeschoss, gleich neben dem Zimmer mit den Spielsachen.«
    Kyle schloss sich dem Mädchen an und wankte die Anhöhe hinauf auf die beleuchtete Veranda zu. Noch während Emma ihnen nachsah, legte er dem Mädchen einen Arm um die Schultern, und sie brachen beide in Gelächter aus, sobald sie außer Hörweite ihrer Professorin waren. Emma tat einen Schritt, um ihnen zu folgen, denn sie wollte Kyle nicht unbeaufsichtigt in ihr Haus lassen. Doch Jacob redete immer noch.
    »Man kann den Großen Wagen sehen, dort oben, verkehrt herum.« Er zeigte genau über ihre Köpfe in den Nachthimmel hinauf. »Und Mars, und Venus vermutlich.«
    Doch Emma war nicht in Stimmung für eine Astronomiestunde. »Wenn mein Mann hier wäre, würde er Sie mit dem Baseballschläger verscheuchen.«
    »Wie gesagt, sorry, Professor Greene. Aber das hier ist wirklich ein hinreißender Flecken Erde.«
    Emmas Blick folgte dem Bach flussabwärts, über die Wiese ihres Nachbarn hinweg, wo das Skelett einer Scheune Wache hielt am Fuß des mächtigen Elephant Mountain. Die Schönheit der schwarzen Silhouette dieses Berges, die sichvom Rüssel über die Stirn bis zum gewölbten Rückgrat des Dickhäuters abzeichnete, besänftigte ihre Gedanken. Dieser junge Mann war schließlich nicht das Problem. Jacob mochte Shelley.
    »Was werden Sie nach dem Abschluss machen?«, fragte sie.
    »Kyle und ich«   – Emma zuckte zusammen, als sie den Namen des Diebes laut ausgesprochen hörte   – »verbringen den Sommer erst mal im Strandhaus seiner Eltern. Und danach fangen wir an der Wall Street zu arbeiten an. Sein Dad ist ein hohes Tier bei einer Bank.«
    »Was für ein Glück für Sie.« Abrupt drehte Emma sich um und ging zurück zum Haus. Wie schade, dass Jacob vorhatte, dem unbedeutenderen Stern seines Freundes zu folgen. Sie hatte das Gefühl, als hätte Kyle
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