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Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)

Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)

Titel: Stille Nacht: Ein Fall für Hubertus Hummel (German Edition)
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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kehrte er schließlich zurück ins Abteil, nachdem er sich abermals an dem großen Mann vorbeigezwängt hatte.
    Er schaute auf seine Armbanduhr: Einundzwanzig Uhr siebenunddreißig. In wenigen Minuten würde der Zug in Triberg sein. Die Strecke der Schwarzwaldbahn kannte Hubertus wie seine Westentasche. Schließlich war sein Vater hier in den Nachkriegsjahren erst Heizer, dann Lokführer gewesen.
    Als der Zug in Triberg eintraf, war von der Stadt, die sich über mehrere enge Täler erstreckte und vor allem wegen des höchsten Wasserfalls Deutschlands bekannt war, nicht viel zu sehen. Rechts ragten Felsen empor, die durch Gitter und einige in den Berg gerammte Sprossen vom Sturz auf die Gleise abgehalten wurden. Auf der anderen Seite war der verschneite Bahnhof zu erahnen.
    Kein Mensch weit und breit, nur ein paar tiefe Fußstapfen auf dem Bahnsteig, die vom mühsamen Fortkommen einiger Reisender zeugten.
    Ein schriller Pfiff unterbrach die Stille.
    Mit einem kräftigen Ruck setzten sich die Waggons in Bewegung.
    Peter F. Schlenker erhob sich und öffnete die Schiebetür des Abteils. Offenbar wollte er die Toilette aufsuchen.
    Wieder fuhr der Zug in einen Tunnel ein. Schlenker war weg – endlich eine Gelegenheit für Hubertus, zu einem seiner legendären Vorträge anzusetzen. Er schwadronierte wild gestikulierend vom »technischen Meisterwerk« Schwarzwaldbahn und seinem Erbauer Robert Gerwig herum, erzählte von den neununddreißig Tunnels und den daran beteiligten italienischen Fremdarbeitern, die vor rund hundertvierzig Jahren für das Projekt geschuftet hatten.
    Doch auf sein Auditorium hatte der Monolog eine eher einschläfernde Wirkung. Bald schnarchte Klaus mit offenem Mund vor sich hin. Und auch Opernfreund Burgbacher nickte ein.
    Fast hätte sich Hubertus empört, hätte nicht langsam auch von ihm eine heftige Müdigkeit Besitz ergriffen. Das Rattern und Schütteln des Zuges tat ein Übriges: Hummel döste nach kurzer Zeit ein.
    Der Regionalexpress schlängelte sich langsam weiter an den dicht bewaldeten Hängen entlang in Richtung Passhöhe bei Sommerau.
    Erst ein kräftiger Ruck riss Hubertus aus dem Schlummer. Sein Nacken schmerzte von der gekrümmten Schlafstellung auf den unbequemen Polsterbänken. Draußen erblickte er das mit einer Schneehaube versehene Schild »St. Georgen/Schwarzw.«.
    Nur noch neun Minuten bis Villingen.
    »Faaahrscheinkontrolle!«, rief Hummel, um seine Mitreisenden zu wecken.
    Riesle war sofort hellwach, um Hubertus kurz darauf genervt anzuschauen. Auch Burgbacher war sauer, wenn auch aus anderen Gründen: »Wagner und Hitler. Pah!«
    Auf der rechten Hälfte seines Gesichts zeichnete sich der Abdruck des Polsterrands ab, an den er sich im Schlaf gelehnt hatte.
    Von Peter F. Schlenker keine Spur.
    »Ich gehe dann mal unseren Mäzen von der Toilette vertreiben«, sagte Klaus und verließ das Abteil.
    »Vielleicht hat Schlenker keine Fahrkarte und versteckt sich dort gleich bis Donaueschingen?«, meinte Hubertus ironisch.
    »Quatsch – er fährt nur bis Villingen. Und natürlich besitzt er eine Fahrkarte«, entgegnete Edelbert, der die Andeutung wohl verstanden hatte.
    Die in Donaueschingen ansässige große Edelmann-Brauerei war, so hatte es mehrfach im Kurier gestanden, im Begriff, die kleinere Bären-Brauerei zu übernehmen. Schlenker galt zur Freude vieler Schwenninger als Gegner der Fusionsbestrebungen. »Der Bär bleibt hier«, lautete sein Motto.
    Aus diesem Grund, und nur aus diesem, hätte er Hubertus eigentlich sympathisch sein müssen. Erst neulich hatte er seinen Freund Klaus in der gemeinsamen Stammkneipe »Bistro« mit einer Tirade gegen die Bierglobalisierung genervt.
    Der Zug rollte an. Die Räder ratterten wieder leise vor sich hin.
    Plötzlich ertönte ein lauter Schrei.
    Hubertus und Edelbert schreckten gleichzeitig auf.
    Aufgeregt stürzten sie aus dem Abteil in Richtung Toilette, von der das Geräusch gekommen zu sein schien.
    Als sie um die Ecke schossen, stand ein kreidebleicher Klaus vor ihnen, dessen Blick durch die offene Tür in den kleinen Toilettenraum gerichtet war. Er schien von den anderen beiden überhaupt keine Notiz zu nehmen.
    Mit weichen Knien erhaschte Hubertus einen Blick über Klaus’ Schulter und zuckte unwillkürlich zusammen.
    Peter F. Schlenker saß in leichter Schräglage auf der Zugtoilette. Ein breites braunes Klebeband versperrte den Blick auf Mund und Nase. Von seinem Gesicht waren nur seine weit aufgerissenen und entsetzlich starr
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