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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin
Autoren: Sandra Melli
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heimzuzahlen.
    Laisa zuckte nur mit den Schultern, ging ein paar Schritte beiseite und sprang auf den Ast eines Baumes, der in fünffacher Manneshöhe über dem Eingang des Dorfes ragte und dicht belaubt war. Von dort aus konnte sie die Verhandlungen mit den Menschen beobachten, die vor den Toren des Dorfes lagerten, ohne von diesen gesehen zu werden. Kaum hatte sie oben Platz genommen, hob sie die Nase in den Wind und schnupperte.
    Die Handelsherren und ihre Begleiter waren in der Menge, die sich vor dem Dorf versammelt hatte, leicht zu erkennen, denn sie hüllten sich in viele Lagen Stoff, die sie mit Essenzen tränkten, die nur sie als Wohlgerüche bezeichnen konnten. Um dem stechenden Geruch der Menschen zu entgehen, hätte sie sich von ihrem Aussichtsposten zurückziehen müssen, aber das ließ ihre Neugier nicht zu.
    Um das Stechen und Beißen aus ihrer Nase zu bekommen, wandte Laisa ihr Gesicht und blickte über ihr Heimatdorf, das zusammen mit dem Wald ringsum die gesamte ihr bekannte Welt darstellte. Der Ort bestand aus Hütten, die angeblich den Bienenkörben der Menschen ähnlich sehen sollten, und war von einem hohen Zaun aus dünnen Pfählen umgeben. Für die Katzenmenschen stellte die Umzäunung kein großes Hindernis dar, und sie selbst vermochte in einem Satz darüberzuspringen. Menschen aber konnten den Zaun nur mühsam überwinden, insbesondere, wenn Groms Leute ihn verteidigten.
    Soweit Laisa sich erinnern konnte, war das Dorf nur einmal von einer größeren Schar Menschen angegriffen worden. Aber die Übeltäter hatten den Versuch rasch bereut. Damals war sie kaum älter gewesen als ein Katling, der noch Muttermilch trank. Trotzdem hatte sie einen der Kerle, der Tinka angegriffen hatte, ins Bein gebissen und so in die Flucht geschlagen.
    Sie grinste bei der Erinnerung an die unbeholfenen Menschen. Die Angreifer hatten sich zwar mit vielen Waffen behangen, waren aber viel zu langsam gewesen, um diese gegen die schnellen Katzenmenschen einsetzen zu können. Es war allen ein Rätsel geblieben, was die Kerle im Dorf gesucht hatten. Reichtümer gab es bei ihnen nicht. Aus diesem Grund mussten sich die jungen Leute bei den Handelsherren, die ihre wertvollen Waren vor ähnlichen Raubbanden schützen wollten, als Wächter verdingen.
    Laisa bedauerte, dass sie nicht selbst mit einer der Karawanen ziehen durfte. So war sie weiterhin auf die Erzählungen jener Katzenmenschen angewiesen, die bereits Karawanen in fremde Länder begleitet hatten. Stärker als sonst sehnte sie sich danach, das Dorf zu verlassen und selbst etwas von der Welt zu sehen. Zweimal hatte sie schon versucht, auf eigene Faust loszuziehen, war aber nicht weiter gekommen als bis zu den Grenzen des Stammesterritoriums. Dort aber hatte sie jedes Mal das Gefühl gehabt, ihr würde jemand zuflüstern, dass sie noch warten müsse, und war prompt mit hängenden Ohren ins Dorf zurückgeschlichen. Dabei fühlte sie immer stärker, dass sie nicht zu Grom und seinen Leuten gehörte.
    Die Katzenmenschen waren ein friedliches Völkchen, das ebenso von Kundschafter- und Wachdiensten bei den Menschen wie auch von der Jagd auf Waldtiere und vom Tauschhandel mit Wildbret und Leder lebte. Selbst mutige Männer wie Grom oder Frauen wie ihre Pflegemutter Tinka, die Narben von Auseinandersetzungen mit Räubern trugen, waren mit diesem Leben zufrieden. Laisa selbst aber sehnte sich nach mehr, und aus diesem Grund hatte sie sich ihr Leben lang im Dorf ein wenig fremd gefühlt.
    So stark wie an diesem Tag aber hatte sie dies noch nie empfunden, und sie beneidete Wuko und die anderen Dörfler, die sich nun vor den Handelsherren aufstellten, um ihre Muskeln und Zähne prüfen zu lassen. Als Wuko das Maul aufriss und übermütig fauchte, schraken die Menschen vor ihm zurück. Dabei, fand Laisa, wirkten seine Eckzähne gegen die ihren geradezu jämmerlich klein.
    Angeber!, dachte sie. Sie konnte weitaus besser fauchen als jeder Katzenmann und öffnete unwillkürlich den Mund, um das zu beweisen. In dem Moment witterte sie erneut den betörenden Duft, den sie beim Erwachen wahrgenommen hatte. Gespannt richtete sie sich auf und entdeckte eine weitere Person, die sich dem Palisadenwall näherte. Ein fast bodenlanger Mantel umhüllte eine hohe, aber recht schmale Gestalt, die ihr Gesicht unter einer Kapuze verbarg. Laisa konnte nur zwei goldene, wie Sterne glitzernde Augen erkennen und eine einzelne Haarsträhne, die ebenfalls golden glänzte. Nach dem Geruch zu
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