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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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Zirkeltraining.
    Beim eigentlichen Boxen arbeite ich viel an der Technik, aber auch an der Taktik, die ich für meine Gegnerin brauche. Dafür ist Sparring das beste Training, und dazwischen lockere Läufe, denn beim Sparring verliert man schnell Substanz. Sparring ist wie ein richtiger Kampf, nur dass wir dabei einen Kopfschutz tragen und größere Handschuhe, um uns nicht zu verletzen. Wenn ich viele Sparringseinheiten in einer Woche habe, muss ich die anderen Einheiten etwas zurückfahren, damit sich mein Körper erholen kann. Sonst bin ich am Ende nicht trainiert, sondern ausgepowert.
    Als ich wieder zu trainieren begann, hatte ich das Gefühl, meine Bewegungsabläufe wären eingerostet. Mein Distanzgefühl, das beim Platzieren von Schlägen wichtig ist, war nahezu nicht mehr vorhanden. Auch mein Auge musste ich wieder ans Boxen gewöhnen. Anfangs war ich frustriert und ungeduldig, aber mir war natürlich klar, dass ich nicht innerhalb von vier Wochen wieder zu meiner alten Form zurückfinden würde. Ich musste mich Schritt für Schritt vorarbeiten, Schlag für Schlag vorankämpfen. Meine Trainer stellten mir eine gute Mischung aus Kraft-, Ausdauer- und Grundlagentraining zusammen und mischten von Anfang an schon boxerische Elemente dazu.
    Meinen Körper so zu jagen und anzutreiben wie früher fiel mir schwer. Jürgen und Tommy halfen mir, mich zu motivieren, nahmen mir die Angst und gaben mir auch Impulse, wie ich meine Einstellung wieder aufmöbeln konnte. Es tat und tut gut, sie an meiner Seite zu haben, denn in den Momenten, in denen ich einen Schritt zurückging, nicht alles aus mir herausholte, waren sie es, die mich wieder nach vorne schubsten, dorthin, wo meine Grenzen waren – und darüber hinaus. Tommy, der mich so lange kennt, brauchte mich nur anzusehen und wusste, wann es ein gutes Training werden würde und wann es eigentlich besser war, es gleich bleiben zu lassen. Jürgen kennt mich seit 2005, also auch schon einige Jahre, und er weiß ebenfalls, wie er mich nach vorne bringen kann.
    Am Ende bin ich es natürlich selbst, die sich motivieren muss, die angreifen, beißen und sich schinden muss. Ich weiß aber genau, wofür: für diesen wunderbaren Moment, in dem ich als Siegerin oben im Ring stehe. Dafür arbeite ich. Daran hat sich nichts geändert.

Verzeihen
    Ich bin Rola, die vergibt. Rachegelüste und Zorn sollen nicht Teil meines Lebens werden. Sie dürfen meine Seele nicht vergiften, meine Zukunft nicht überschatten. Ich vergebe, aber ich vergesse nicht. Nicht die ganzen Enttäuschungen, die ich erlebt habe. Aber ich sehe den Menschen in die Augen und gehe mit einem Lächeln auf sie zu. Mögen sie sich wegducken oder wegsehen, weil sie mir gegenüber ein schlechtes Gewissen haben, ich gehe ihnen trotzdem aufrecht entgegen. Ich gebe ihnen die Hand. Es bringt nichts, ein Leben lang auf Menschen böse zu sein.
    Ich bin Rola, die nicht nachtragend ist, aber dennoch nicht vergisst. Was ich erlebt habe, werde ich nie vergessen können. Die körperlichen Schmerzen und Qualen werde ich vielleicht vergessen, aber nicht das Leid. Das ist für immer auf meiner Festplatte gespeichert, seit der ersten Ohrfeige, die ich als kleines Mädchen bekam. Wenn jemand mir wehgetan hat, dann hat er keinen Platz mehr in meinem Herzen. Ich bin ihm gegenüber höflich und respektvoll, aber ich schließe einen solchen Menschen nicht mehr in mein Herz. Denn wer in meinem Herzen ist, für den würde ich alles tun. Das zeigt schon die Liebe zu Kosta. Nichts, nichts auf der Welt hätte Kosta aus meinem Herzen reißen können. Für Kosta würde ich den Weg, den ich gegangen bin, gleich noch einmal gehen.
    Wer mich verletzt, der kann nichts mehr von mir erwarten. Der ist erst mal raus. Ich will keine Rache, kein Auge um Auge, kein Zahn um Zahn, denn es ist Gott allein, dem es zusteht, zu verurteilen und zu strafen. Ich hasse Neid, Zorn und Rachsucht, ich hasse Gewalt, ja ich verabscheue sie zutiefst, und das sage ich aus Überzeugung, auch wenn das aus dem Mund einer Boxerin seltsam klingen mag. Außerhalb des Rings könnte ich nie einen Menschen schlagen, auch kein Tier. Mein Leben ist gewalt- und hassfrei. Ich gönne jedem seinen Erfolg und sein Glück aus ganzem Herzen, auch einer Gegnerin, die vielleicht einmal gegen mich gewinnt, weil sie besser ist.
    Aber kann ich meinem Vater jemals vergeben? Gibt es einen Weg, seine Tat zu verzeihen? Nein, sage ich heute. Heute kann ich ihm nicht verzeihen. Ich bin stark und habe
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