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Steh dir nicht im Weg

Titel: Steh dir nicht im Weg
Autoren: Renate Dehner , Ulrich Dehner
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fühlt?
    |26| Genau – jeder selbst! Und dagegen sträubt man sich sehr gern. Es ist doch eigentlich viel bequemer, sich sagen zu können: »Ich bin deshalb so wütend, weil mein Mann zum hundertsten Mal zu spät zum Essen kommt und mir damit zeigt, dass er meine Arbeit gering schätzt!«, statt zu erkennen, dass man wütend ist, weil man wütend sein will und den ganzen Ärger selbst produziert.
    Vielleicht möchten Sie jetzt einwenden: »Aber der Ärger entsteht doch, weil er zu spät zum Essen kommt, obwohl wir eine ganz klare Vereinbarung getroffen haben!« Doch da lohnt es sich, unsere deutsche Sprache ernst zu nehmen, die ist in dieser Hinsicht nämlich sehr präzise: »Ich ärgere mich« sagen wir, wenn uns etwas nicht passt – und in diesem Satz kommt ein anderer Beteiligter überhaupt nicht vor. Wenn
ich mich
ärgere, geschieht nämlich meistens das Wesentliche lange bevor der andere die Szene betritt. Das Essen ist fertig, die festgesetzte Zeit verstreicht und bevor wir noch wissen, was den anderen aufgehalten hat, beginnen in unserem Kopf fantasierte Zwiegespräche, die die Wut schüren – denn sie sind keineswegs liebevoller Natur.
    Und wenn man es schließlich dank eines solchen inneren Dialoges so weit gebracht hat, dass man sich richtig schlecht fühlt, hat man die nötige Rechtfertigung, dafür zu sorgen, dass es dem anderen auch schlecht geht, wenn er endlich kommt: Zuerst ärgere ich mich, dann sorge ich dafür, dass sich der andere auch ärgert, damit wir uns in einem Gleichgewicht befinden, das ist schließlich nur gerecht.
    Aber was ist tatsächlich passiert? Es gab das Ereignis »später kommen als vereinbart«. Dieses Ereignis kann auf unterschiedlichste Weise interpretiert werden. Man kann dieses Ereignis zum Beispiel dazu benutzen, um ganz haarsträubende Horrorfilme vor dem inneren Auge ablaufen zu lassen, indem man sich Unglücksfälle aller Art ausmalt. Diese innere Bewertung führt vermutlich dazu, dass man sich selbst ängstigt und sich Sorgen macht. Kennen Sie jemanden, dessen Lieblingsgefühle Sorgen sind? Wir kennen einige Menschen, die geradezu darin schwelgen.
    |27| Man kann das Ereignis aber auch interpretieren als bewusste Bösartigkeit: »Das macht er absichtlich! Wenn er nur wollte, könnte er schon pünktlich sein. Er will mich verletzen!« Das schürt Wut und Hass. Eine andere Möglichkeit, sich unglücklich zu machen, wäre sich zu sagen: »Er interessiert sich nicht wirklich für mich. Er liebt seine Arbeit mehr als mich, ich bin ihm völlig gleichgültig.« Man könnte auch der eigenen Eifersucht Nahrung geben, indem man sich sicher ist: »Er kommt zu spät, weil er bei einer anderen ist. Der Kerl betrügt mich!«
    Man könnte sich aber auch für eine mitleidige Interpretation entscheiden: »Der Arme! Bestimmt hat ihm sein Chef wieder in letzter Minute noch etwas ganz Dringendes zu erledigen gegeben. Er sitzt bestimmt schon auf glühenden Kohlen.« Die Gefühle, die man nach solchen Gedanken entwickelt, werden sicherlich ganz anderer Natur sein, als wenn man zu den negativen Gedanken neigt.
    Man kann also sagen, dass wir die Wahl haben: Je nach Art des inneren Filmes, den wir uns anschauen, wählen wir die Gefühle aus, mit denen wir anschließend klarkommen müssen. So wie eine Herz-Schmerz-Romanze im Kino uns zu Tränen rühren kann, so reagieren wir auch auf unsere inneren Filme. Natürlich bedeutet »eine Wahl treffen« in diesem Zusammenhang nicht, dass wir uns ganz rational und planerisch überlegen: »Möchte ich mich jetzt lieber besorgt fühlen oder eifersüchtig? Ist heute die Wut dran oder der Hass, oder wäre ich doch lieber liebevoll?« Da würden die meisten Menschen einwenden: »So ein Unfug. So etwas mache ich nicht. Meine Gefühle sind einfach da. Sie kommen ohne mein Zutun über mich. Ich habe noch nie auch nur einen Ansatz von Entscheidung getroffen. Meine Gefühle sind spontan!« Womit sie auch fast Recht haben: Es findet sicher keine bewusste Entscheidung statt. Die Gedankenvorgänge, die zu unseren Entscheidungen führen, finden bei Erwachsenen in aller Regel so blitzartig statt, dass sie sich der bewussten Wahrnehmung entziehen. Die inneren Bewertungen, die zu unseren Emotionen führen, sind schon vor so langer Zeit entstanden, dass sie automatisch da sind und wir als |28| Erstes die emotionale Reaktion wahrnehmen. Das heißt aber nicht, dass Sie keinerlei Einfluss darauf haben, diesen Automatismus zu umgehen.

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Automatisierte
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