Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stefan Bonner und Anne Weiss

Stefan Bonner und Anne Weiss

Titel: Stefan Bonner und Anne Weiss
Autoren: Generation Doof
Vom Netzwerk:
drapieren. Flugs noch den Ofen auf 220 Grad gestellt und die Klappe zugeworfen.
    Ich bin stolz auf mich.
Dann gehe ich ins Wohnzimmer, setze mich neben Maja aufs Sofa und gönne mir ein Glas Whisky. Im Fernsehen läuft eine neue Folge der Serie 24 . Verdammt spannend.
Die Zeit vergeht wie im Flug, bis Maja die Nase rümpft.
»Es riecht«, meint sie.
»Ich war’s nicht.« Da muss sie sich wohl geirrt haben.
»Nach angebrannter Pizza!«
Mit dem Whisky im Blut lege ich die fünf Meter in die Küche in unter zehn Sekunden zurück. Aus dem Ofen quillt dichter Rauch. Mit beiden Händen greife ich beherzt nach dem verkohlten Ding im Ofen und ziehe es raus. Das Backpapier bleibt an den Heizstä- ben hängen, die Pizza fliegt in hohem Bogen durch die Küche und die Papierreste im Ofen fangen augenblicklich Feuer.
»Wooow!«, ist das Einzige, was mir dazu einfällt.
Das Feuer will gelöscht werden. Aus dem Augenwinkel heraus bemerke ich das Whiskyglas, das ich auf den Küchentisch gestellt habe.
Flüssigkeit + Feuer = Löschen, funkt es wild durch mein Hirn. Ich kippe das halbvolle Glas reflexartig in den Ofen. Eine riesige Stichflamme schnellt hervor.
In dem Moment betritt Maja die Küche. Sie betrachtet mein rußgeschwärztes Gesicht und das Whiskyglas in meiner Hand. Dann wandert ihr Blick weiter zu der verbrannten Pizza auf dem Küchenfußboden.
Maja schüttelt den Kopf. Dann entfährt ihr ein leises, aber nicht minder bestimmtes »du bescheuerter Vollidiot«.
Explodierende Öfen sind ein Grund dafür, dass Fastfood für die Generation Doof die einzig akzeptable Ernährungs-Annehm- lichkeit des 21. Jahrhunderts darstellt. Das Kauen überlassen wir gerne den Getreidemühlenbenutzern und Reformhauskunden. Vorgeformte und warm gemachte Nahrung ist uns vertrauter als Selbstgekochtes. Obwohl Kochshows im Fernsehen sich nicht über mangelnde Zuschauerzahlen beschweren können – Tim Mälzers Sendung Schmeckt nicht, gibt’s nicht brachte es auf knapp eine Million Möchtegernmitesser – finden nur wenige von uns den direkten Weg vom Fernseher zum Herd. Und wenn sie sich doch einmal dahin verirren, dann wissen viele aus unserer Generation nicht, was sie dort sollen.
So ging es zumindest unserer Freundin Larissa, als sie uns vom ersten Sonntagsfrühstück mit ihrem neuen Freund Mark erzählte: »Der stand plötzlich mit einer Pfanne vor mir und erkundigte sich, wie das mit den Spiegeleiern geht«, erinnerte sie sich lachend.
Mark war damals Anfang dreißig, und er ist mit seiner Koch-legasthenie bis heute kein Einzelfall: Nach wie vor wird nur in etwa einem Drittel deutscher Haushalte selbst gekocht und der Absatz an Fertiggerichten steigt kontinuierlich – von 12,2 Kilo pro Kopf im Jahr 1975 bis zu 37,1 Kilo im Jahr 2005, wie das Deutsche Tief-kühlinstitut angibt. Und wenn wir nichts auftauen, bestellen wir unsere Pizza bei Lieferanten wie Pizza Boy … und essen macht Spaß – als ob es darauf ankäme, dass Teigplatten mit Belag einen Unter-haltungswert besäßen.
Über 40 Prozent der 18-bis 39-Jährigen würden selbst sagen, dass ihre Kochkünste weniger als mittelmäßig sind, das ergab eine Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der Internet-Initiative »Die Dosenköche«. An den guten alten Spaghetti mit Tomatensauce versuchen sich über 50 Prozent der unter 40-Jährigen gar nicht, sondern greifen auf Fertigzutaten zurück. Rezepte aus Fernsehshows werden außerdem selten nachgekocht, wie eine Umfrage des Fern-sehmagazins TV-Guide 2007 ergab: Bei 69 Prozent der Deutschen kommt niemals ein Showgericht auf den Teller. Der Ernährungs bericht 2004 legt Zeugnis davon ab, dass wir selten zu Hause mit anderen essen: Der Normalbürger isst mittags 13 Minuten lang mit anderen Personen. Da bleibt keine Zeit für ein umfangreiches Menü.
Appetit holen wir uns im Fernsehen, gegessen wird allerdings nicht zu Hause, das erscheint uns zu öde. »Mälzer ist wie Jamie Oliver ein Popstar, der genau auf der Wellenlänge surft, auf der die MTV-Generation sich wohlfühlt«, schreibt Stephan Clauss, Gastrokritiker des Magazins Der Feinschmecker.
Anders gesagt: Essen muss Spaß machen oder schick aussehen, sonst herrscht Ebbe auf den heimischen Tellern der Generation Doof. Auch ein einfaches Zimtbrötchen muss einen Namen haben, der uns anmacht – Woppi, Wupsi, Wuppi. Das klingt ähnlich niedlich wie unser Lieblingseis, das schon in der Kindheit eine Produktbezeichnung wie »Flutschfinger« trug. Ein so ernstes Getränk wie ein Milchkaffee
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher