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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen
Autoren: Michael Streck
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die letzte, die allerletzte Option dahin, Töchter und Frau freuten sich, und ich machte gute Miene zu falschem Spiel mit Rudi Rabbit.
    Wir feierten unterdessen eine Menge Abschiedspartys in New York. Eine Abschiedsparty für die werten Kollegen. Eine Abschiedsparty für enge Freunde. Eine Abschiedsparty für Freunde, eng oder nicht. Eine Abschiedsparty mit unseren lieben Nachbarn David und Myra, eine Überraschungsparty von den Kollegen, eine Überraschungsparty von den Tanzfreunden der Frau. Eine Abschiedsparty für die ältere Tochter, eine für die jüngere. Und zwei Überraschungspartys von den Freundinnen und Freunden der Töchter. Zudem verabschiedete ich mich sehr persönlich und intensiv aus meinen New Yorker Lieblingsbars, und ich hatte viele Lieblingsbars.
    Abschiede sind sehr feuchte Angelegenheiten, und deshalb kann man nicht früh genug damit anfangen. Wir fingen etwa drei Monate vor dem Rückflug an. Das war eine weise Idee. Am Tag nach der definitiv letzten Abschiedsparty ging ich noch einmal durch die Villa Kunterbunt, noch einmal in den Kabelsalat-Keller, noch einmal über die Yogaterrasse. Dann setzte ich mich ins Flugzeug, ließ Frau und Töchter in Amerika zurück und bildete in Hamburg gewissermaßen die Vorhut für die Sippe. Die Töchter waren immer noch in der Phase des »state of denial«.
    Ankünfte sind eine sehr feuchte Angelegenheit. Ich feierte Wiedersehen mit den Kollegen, mit der Familie, mit engen Freunden und Freunden. Und danach arbeitete ich eine Liste von Aufträgen der Frau des Hauses ab – Anmeldung, Kindergeld, Telefon, Strom, Wasser, Internet, Fernsehen. Eben alles, was der Mensch braucht, um zu funktionieren. Es muss dabei lobend erwähnt werden, dass deutsche Beamte im Vergleich zu amerikanischen Staatsdienem a) kompetent, b) freundlich und c) kein Witz: schnell sind. 1:0 für Deutschland. Überhaupt neigen Menschen nach einer längeren Zeit im Ausland zu allerlei Vergleichen zwischen alter und neuer Heimat. Das ist manchmal nicht besonders fair, aber immer fair ist langweilig.
    Also.
    Das, was Deutschland an Beamtenkompetenz Amerika voraus hat, macht die Telekommunikation mit einem Schlag wieder zunichte. 1:1, also. Der an sich harmlose Vorgang der Telefon- und Internet-Bestellung erwies sich – verglichen mit den USA – als ein einziges Desaster, und ich wünschte mir die Zeiten zurück, als die Post noch ein Monopol besaß. Ich holte auftragsgemäß Erkundigungen ein über Preise, Service, Fiat-Rates für Gespräche mit Amerika und Mobiltelefone. Ich fragte Freunde und Kollegen und Verwandte. Zehn Leute gefragt, zehn verschiedene Meinungen eingeholt. Nach Rücksprache mit der Frau entschieden wir uns für das Telekommunikationsunternehmen »Alice«, wegen des hübschen Namens schon. »Alice« klingt weicher, freundlicher, erotischer und schlicht besser als das schneidige »Telekom«. Ein bisschen klingt »Alice«, Absicht?, sogar nach Telefonsex. Auch nicht schlimm. Ein junger, freundlicher Herr im Kundenzentrum beglückwünschte mich zu unserer Wahl, riet aber davon ab, die von »Alice« offerierten Handys zu kaufen, weil, wie er befand, »die Dinger ziemlicher Schrott sind«. Das hätte mich stutzig machen sollen, aber ich glaubte noch an das Gute in »Alice«. Noch. Zum Ende unseres einstündigen Kundengespräches teilte er mir mit, dass sich in Bälde ein Mitarbeiter der Deutschen Telekom bei uns melden würde, der in unserem Haus die Leitung »aufschalten« müsse, was immer das zu bedeuten hatte. Wenn die Leitung erst einmal aufgeschaltet sei, sagte er, ginge alles ganz schnell. Er hatte große Ähnlichkeit mit Guido Westerwelle, und auch das hätte mich stutzig machen sollen.
    Es dauerte die Bälde von vier Wochen, bis sich ein Telekom-Mitarbeiter an einem Freitag »für ein Zeitfenster zwischen 8 und 16 Uhr« ankündigte, was meiner Rechnung nach zeitfenstertechnisch einem kompletten Arbeitstag entsprach, mithin: Zumutung für Menschen mit Beruf. Der Telekom-Mann erschien schon um 9.30 Uhr, und ich fragte ihn nach dem opulenten Zeitfenster von acht Stunden, worauf er sagte: »Hätten Sie Telekom als Anbieter gewählt, wäre es schneller gegangen.« Das war immerhin ehrlich. Er stellte fest, dass unser Telefon in Wahrheit im Keller der Nachbarn »aufgeschaltet« werden müsse, welche zu seiner Verwunderung um diese Zeit arbeiteten. Dann fuhr er nach Hause ins Wochenende.
    Exakt eine Woche darauf erschien in einem »Zeitfenster zwischen 8 und 16 Uhr« ein
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