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S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone

S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone

Titel: S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
Autoren: Bernd Frenz
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war nichts an der bezeichneten Stelle zu erkennen. Erst nachdem sie einen verrosteten Traktor überflogen hatten, der noch genauso am Wegrand stand, wie er vor achtzehn Jahren zurückgelassen worden war, machten sie im hohen Gras eine Schneise aus. Sie führte vom Straßenrand mitten in die zugewucherte Landschaft und endete erst bei einer auf allen Vieren kriechenden Gestalt, die sich mühsam vorwärts schleppte.
    „Allmächtiger!"Es war ausgerechnet der Kommandant, dem dieser Ausruf entfuhr, doch wer wollte es ihm verübeln? Der sich bietende Anblick war wirklich Mitleid erregend.
    Sie kreisten über einem jungen Mann, dem die Kleidung in Fetzen vom Körper hing. Er schien von Kopf bis Fuß mit Ruß bedeckt zu sein, gleichzeitig schimmerten verschiedene Hautpartien unnatürlich rot, als wären sie verbrüht oder verbrannt worden. Statt aufzuschauen, verbarg der Flüchtende seinen Kopf zwischen den Armen und krümmte sich im Gras zusammen wie ein Embryo im Mutterleib.
    Der Kommandant hinter dem Steuerknüppel vergaß alle Gefahren, die am Boden lauern mochten. Rasch setzte er zur Landung an und stellte kurz darauf den Rotor ab, um dem armen, sichtlich unter Schock stehenden Burschen nicht noch mehr zu ängstigen. Dann rannte er gemeinsam mit seinen Männern ins Freie, um erste Hilfe zu leisten.
    Mit ihren verspiegelten Visieren wirkten die Soldaten unheimlich und automatenhaft, weshalb sie sie in die Höhe schoben oder die Helme ganz abnahmen.
    Die zitternde Gestalt zu ihren Füßen sah nicht auf, sondern verbarg das Gesicht weiter.
    „Verdammt! Das ist ja noch ein halbes Kind!"
    „Nicht so laut!" Der Kommandant funkelte den Bordschützen wütend an. „Du machst ihm Angst! Wahrscheinlich versteht er nicht mal unsere Sprache."
    Mit einer energischen Handbewegung bedeutete er den anderen, dass sie zurückbleiben sollten. Dann kniete er sich hin und streckte vorsichtig die Hand nach der Schulter des Jungen aus.
    „Keine Sorge", sagte er in einem Tonfall, von dem er hoffte, dass er beruhigend wirkte. „Es ist alles vorbei. Wir sind hier, um dir zu helfen."
    Sobald der Junge die Berührung des Handschuhs spürte, wirbelte er herum. Aus Schreck geweiteten Augen, die das tiefe Blau seiner Pupillen deutlich hervorhoben, starrte er, ohne den Piloten wirklich wahrzunehmen, in die Höhe. Ein dünner, halb angetrockneter Blutfaden hing aus seiner Nase, in seinen Augenwinkeln hatten sich rote Tränen gesammelt. Ein Geflecht aus aufgeplatzten Adern durchzog seine Netzhäute, doch er war keineswegs blind. Es schien allerdings, als sähe er durch die Männer, die sich über ihn beugten, einfach hindurch. Hinauf zu einem Punkt am Himmel, an dem sich ein nur für ihn sichtbares Ereignis abspielte.
    Sein Mund öffnete sich, doch was seine Kehle verließ, waren nicht Worte einer menschlichen Sprache, sondern ein unartikulierter Ur-Laut, wie ihn nur eine gequälte Kreatur in höchster Not auszustoßen vermochte.

3.
    UNTERIRDISCHER KOMPLEX,
    KRAFTWERK TSCHERNOBYL
    (Z + 23 Minuten)
    Prof. O. O. Dobrynin machte die über ihm lastende Stahlbetondecke nichts aus. Im Gegenteil. Sie bot ihm Schutz und Sicherheit. Er fühlte sich wohl hier unten in der Tiefe, in dem Labyrinth aus Gängen, das unzählige Laboratorien, Maschinenräume und Wohneinheiten miteinander verband.
    Seine Haut wies kaum Pigmente auf, obwohl es Solarien gab, die dem Personal das Tageslicht ersetzten. Sein Gesicht und die Hände besaßen den gleichen Farbton wie der weiße Kittel, den er trug. Ungesund bleich, aber lächelnd saß er hinter seinem alten Sekretär aus Ebenholz. Das Licht einer verstellbaren Schreibtischlampe leuchtete einige vor ihm ausgebreiteten Unterlagen aus, spiegelte sich aber auch auf seinem kahlen Schädel wider, der von einem aschgrauen Haarkranz eingerahmt wurde.
    Beide Ellbogen auf der vorderen Tischkante, hielt er seine Finger ineinander verschränkt und summte leise vor sich hin. Er schien auf etwas zu warten, vermutlich auf einen Anruf. Im gleichen Moment, da die Telefonanlage schnarrte, zuckten seine Mundwinkel in die Höhe.
    Ohne besondere Eile drückte er auf die Lautsprechertaste.
    „Oberst Pynsenyk auf Leitung Drei", meldete seine Vorzimmerdame. „Er sagt, es sei sehr dringend."
    „Danke, Eva", antwortete der Professor höflich, ohne den Hörer aus der Halterung zu nehmen. „Stellen Sie ihn durch."
    Ein halbrund gebogenes, silberfarbenes Stabmikrofon, das auf einem runden Fußneben der Anlage aufragte, nahm jedes seiner Worte
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