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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis
Autoren: Thomas Greanias
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seinen letzten Respekt vor der etablierten Wissenschaftsszene untergruben, war es schon schwer genug, bei seiner Suche nach den Ursprüngen der menschlichen Zivilisation mit der verschütteten Zeit, mit fremden Regierungen und dusseligen Theorien fertig zu werden.
    Früher war er einmal ein bahnbrechender, postmoderner Archäologe gewesen. Seine dekonstruktivistische Theorie besagte, dass die historischen Stätten nicht annähernd so wichtig waren wie das, was sie über deren Erbauer aussagten. Dieser Standpunkt stand in krassem Gegensatz zu den selbstgerechten ›Erhaltungs-Tendenzen‹ in der Archäologie, die in Conrads Augen nur eine Umschreibung für ›Tourismus‹ und die Dollars waren, die jener einbrachte. In der Presse wurde er als Einzelgänger abgestempelt, eine Quelle erbitterter Eifersucht unter seinesgleichen und den Ländern in Nahost und Südamerika, die die größten archäologischen Schätze der Welt besaßen, ein Dorn im Auge.
    Eines Tages hatte er dann in der Nähe von Luxor in Ägypten Dutzende israelitische Häuser aus dem 12. Jahrhundert vor Christus freigelegt, die den ersten konkreten Beweis für den in der Bibel beschriebenen Exodus lieferten. Die offizielle Haltung der ägyptischen Regierung besagte aber nun einmal, dass ihre historischen Vorfahren zur Erbauung der Pyramiden niemals hebräische Sklaven eingesetzt hatten. Darüber hinaus habe allein die ägyptische Regierung das Recht, neue Entdeckungen an die Presse weiterzuleiten. Yeats hingegen habe sie nicht über seine Funde informiert, bevor er mit der Presse redete, womit er gegen den Vertrag verstieß, den jeder Archäologe, der in Ägypten arbeiten wollte, zu unterschreiben hatte, bevor er mit Ausgrabungsarbeiten beginnen konnte. Der Leiter der obersten Behörde für Altertümer hatte ihn ›einen faulen, beschränkten Trottel‹ genannt und für immer aus Ägypten verbannt.
    Plötzlich hatte sich das Blatt gewendet, und aus Conrad dem Bilderstürmer war Conrad der Erhalter geworden, der nun internationalen Schutz für seine ›Sklavenstadt‹ einforderte. Bis Ägypten schließlich Kamerateams an die Stätte vorließ, waren die bröckelnden Grundmauern der israelitischen Siedlung jedoch bereits von Bulldozern niedergewalzt worden, um Platz für eine Militäranlage zu schaffen. Es blieb nichts, was sich noch hätte erhalten lassen, übrig – nur eine Geschichte, der niemand glaubte, und ein angeschlagener Ruf.
    Jetzt war er schlechter dran denn je. Seiner Reputation verlustig. Völlig blank. In den Klauen von Mercedes und ihrer verrückten Realityshow, die der Masse, statt ihr die neuesten archäologischen Erkenntnisse näher zu bringen, bloße Unterhaltung andrehte. Er konnte nicht mehr nach Ägypten zurück, und bald würde das auch für Peru und Bolivien und eine wachsende Zahl anderer Länder gelten. Nur die endliche Entdeckung der menschlichen Urkultur, so schwierig sich das auch gestalten mochte, konnte ihn vor den vorzeitlichen Astronauten und dem Fegefeuer billiger Dokumentarfilme und noch billigerer Nummern retten.
    Mercedes sah besorgt drein. »Wir werden einen ganzen Tag damit vertun, die Crew für Ihren Auftritt hier hochzubringen«, sagte sie. Sie grübelte kurz, aber dann erhellte sich ihre Miene. »Viel besser wäre da doch eine Luftaufnahme aus der Cessna mit einem Kommentar aus dem Off.«
    »Das ginge wohl etwas am Sinn der Sache vorbei, Mercedes«, sagte Yeats.
    Sie sah ihn fragend an. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass wir ein heiliges Ritual vollziehen.« Er nahm ihre Hand. »Mit dem eine Offenbarung eintreten wird.«
    Yeats ließ sich auf die Knie nieder und zog sie neben sich nach unten. Mercedes bekam vor Erwartung große Augen. »Machen Sie mir alles nach, und seien Sie für ein großes Geheimnis bereit!«
    Mercedes lehnte sich an ihn.
    »Stecken Sie Ihre Finger in den Boden.«
    Langsam bohrten sie die Finger durch das heiße schwarze Vulkangeröll in den kühlen, feuchten gelben Lehm darunter.
    »Steht das in Ihrem Drehbuch?«, sagte sie. »Fühlt sich gut an.«
    »Reiben Sie einfach den Lehm zwischen den Fingern.«
    Sie tat wie geheißen. Dann hielt sie sich einen kleinen Klumpen an die Nase und roch daran, als ob sie jederzeit mit einer kosmischen Erscheinung rechnete.
    »Das wär's.«
    Sie sah ihn verdutzt an.
    »Begreifen Sie denn nicht?«, sagte er zu ihr. »Dieser Boden ist zu weich, als dass hier irgendwelche Flugzeuge landen könnten.« Er lächelte sie triumphierend
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