Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
gerahmten Himmel. Der Orden der Ritter der mildtätigen Hilfe bot genau das, was der Name versprach: Hilfe für jeden, der darum bat. Wenn man dafür bezahlen konnte, stellten sie einem eine Rechnung, wenn nicht, killten sie kostenlos. Offiziell lautete ihr Motto, die Menschheit mittels Magie oder Waffengewalt vor allem Übel zu bewahren. Das Problem war bloß, dass sie die Definition des Begriffs »Übel« recht flexibel handhabten, und daher konnte die mildtätige Hilfe durchaus auch darin bestehen, dass sie dem, der sie rief, den Kopf abschlugen.
    Der Orden konnte sich eine ganze Menge erlauben. Seine Mitglieder waren zu mächtig, um ignoriert zu werden, und die Versuchung, ihn zu Hilfe zu rufen, war einfach zu groß. Die Regierung verließ sich auf ihn als dritte Säule des polizeilichen Triumvirats. Die Polizei mit ihrer Paranormal Activity Division, das Militär mit seinen Supernatural Defense Units und der Orden der Ritter der mildtätigen Hilfe sollten sich untereinander vertragen und gemeinsam den Schutz der Bevölkerung gewährleisten. Doch die Wirklichkeit sah ein wenig anders aus. Die Ritter des Ordens waren hilfsbereit, fähig, tödlich. Im Gegensatz zu den Söldnern der Gilde waren sie nicht von Geldgier getrieben und hielten, was sie versprachen. Doch anders als die Söldner fällten sie Urteile und glaubten, stets alles besser zu wissen.
    Ein groß gewachsener Mann betrat das Wartezimmer. Ich roch ihn fast, ehe ich ihn erblickte – den widerlich süßlichen Gestank von verrottendem Abfall. Der Mann trug einen braunen Trenchcoat voller Tinten- und Fettflecke. Dieser Trenchcoat stand offen und gab so den Blick frei auf eine Scheußlichkeit von einem Hemd: in blau und rot, mit grünem Schottenkaro. Die schmutzige Khakihose wurde von orangefarbenen Hosenträgern gehalten. Der Mann trug alte Springerstiefel mit Stahlkappen und Lederhandschuhe, die über dem ersten Fingerglied abgeschnitten waren. Auf dem Kopf hatte er einen Filzhut, einen altmodischen, völlig verdreckten Fedora. Dichtes, mausgraues Haar ragte in steifen Strähnen unter dem Hut hervor.
    Als er mich sah, griff er sich an den Hut, nahm dabei die Krempe zwischen Zeige- und Mittelfinger, so wie manche Leute Zigaretten halten, und da erhaschte ich einen Blick auf sein Gesicht: strenge Falten, Dreitagebart und helle, kalt blickende Augen. Die Art, wie er mich ansah, hatte eigentlich nichts Bedrohliches, doch irgendetwas hinter diesen Augen weckte in mir den Wunsch, schützend die Hände zu heben und langsam zurückzuweichen, bis es sicher war, mich umzuwenden und um mein Leben zu laufen.
    »Ma’am«, sagte er gedehnt.
    Er machte mir eine Heidenangst. Ich lächelte ihn an. »Guten Morgen.« Dieser Gruß klang, als wollte ich einen bissigen Hund beschwichtigen. Um zur Tür zu gelangen, hätte ich mich an ihm vorbeizwängen müssen.
    Die Vorzimmerdame kam mir zu Hilfe. »Sie können jetzt hineingehen!«, rief sie mir zu.
    Der Mann trat beiseite und deutete eine Verbeugung an, und ich ging an ihm vorbei. Meine Jacke strich an seinem Trenchcoat entlang und bekam dabei wahrscheinlich genug Bakterien ab, um eine kleine Armee außer Gefecht zu setzen, aber ich wich nicht zurück.
    »Sehr erfreut«, murmelte er.
    »Gleichfalls«, gab ich zurück und floh in das Büro des Protektors.
    Ich fand mich in einem großen Raum wieder, der mindestens doppelt so groß war wie die Büros, die ich bisher hier gesehen hatte. Die schweren, burgunderroten Vorhänge vor den Fenstern ließen gerade genug Licht herein, um eine behaglich-schummrige Atmosphäre zu erzeugen. Ein imposanter Schreibtisch aus poliertem Kirschholz beherrschte den Raum, darauf ein Pappkarton, ein großer Briefbeschwerer aus Mesquiteholz mit der Dienstmarke eines Texas Rangers obendrauf und ein paar braune Cowboystiefel. Die Füße und Beine in diesen Stiefeln gehörten einem breitschultrigen Mann, der sich in einem großen schwarzen Ledersessel zurücklehnte und dem lauschte, was aus dem Telefonhörer an seinem Ohr drang. Der Protektor.
    Er musste früher einmal sehr kräftig gewesen sein, doch nun waren seine Muskeln gewissermaßen durchwachsen. Er war immer noch ein großer und starker Mann und konnte sich wahrscheinlich, wenn nötig, immer noch schnell bewegen, trotz seines unansehnlichen Bauchansatzes. Er trug Bluejeans und ein marineblaues Hemd mit Fransen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass so etwas noch hergestellt wurde. Diese Klamotten, in denen einst der Westen gewonnen worden war –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher