Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
Vereinfachung.«
    Er nickte, mit jenem überaus geduldigen Gesichtsausdruck, mit dem er Frauen um den Verstand brachte. »Natürlich. Ich wollte mich keinesfalls kränkend oder vereinfachend über deine Gefühle äußern. Ich möchte nur, dass wir uns auf den Kern dessen konzentrieren, was ich zu sagen habe. Könntest du mir bitte zuhören?«
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Ich höre.«
    Er griff in seine Lederjacke, zog eine Schriftrolle hervor, legte sie auf den Tisch und entrollte sie langsam.
    »Das ist die Einladung des Ordens.«
    Ich hob die Hände. »Das war’s. Ich bin dann mal weg.«
    »Lass mich bitte ausreden«, erwiderte er. Er wirkte nicht ärgerlich. Er sagte mir nicht, dass ich mich wie ein kleines Kind aufführte, obwohl mir klar war, dass ich genau das tat. Das machte mich nur noch wütender.
    »Also gut«, sagte ich.
    »In ein paar Wochen wirst du fünfundzwanzig. Das will für sich genommen nichts besagen, ist aber, was die Wiederaufnahme in den Orden angeht, durchaus bedeutsam. Es ist sehr viel schwieriger, dort aufgenommen zu werden, wenn man erst mal fünfundzwanzig ist. Nicht unmöglich. Nur schwieriger.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Sie haben mir Broschüren geschickt.«
    Er ließ die Schriftrolle los, lehnte sich zurück und schlang die langen Finger ineinander. Das Schriftstück regte sich nicht, obwohl es sich sämtlichen physikalischen Gesetzen zufolge hätte wieder zusammenrollen müssen. Greg nahm es mit den physikalischen Gesetzen manchmal nicht so genau.
    »Dann bist du dir also auch der Altersbußen bewusst.«
    Es war keine Frage, aber ich antwortete dennoch darauf. »Ja.«
    Er seufzte. Es war eine winzige Regung, die nur bemerkte, wer ihn gut kannte. An der Art, wie er dort saß, ganz reglos, und den Hals ein wenig reckte, erkannte ich, dass er schon wusste, wie ich mich entschieden hatte.
    »Ich wünschte, du würdest es dir noch einmal überlegen«, sagte er.
    »Nein, daraus wird nichts.« Einen Moment lang sah ich die Frustration in seinem Blick. Wir wussten beide, was hier unausgesprochen blieb: Der Orden bot Schutz, und Schutz war bei jemandem von meiner Herkunft von größter Wichtigkeit.
    »Darf ich fragen, wieso?«
    »Das ist nichts für mich, Greg. Ich kann diese Hierarchien nicht ertragen.«
    Für ihn war der Orden ein Ort der Zuflucht und der Sicherheit, eine Stätte der Macht. Die Mitglieder orientierten sich ganz und gar an den Werten des Ordens und dienten ihm mit solcher Hingabe, dass der Orden nicht mehr als Zusammenschluss einzelner Personen erschien, sondern als eigenständiges Gebilde, das überaus mächtig war. Greg hatte sich dem angeschlossen, und es ernährte ihn. Ich hatte mich dagegen gesträubt und beinahe alles verloren.
    »Jeden Augenblick, den ich dort verbracht habe«, sagte ich, »hatte ich das Gefühl, als würde ich zusammenschrumpfen, dahinschwinden. Ich musste da raus, und ich werde nicht dorthin zurückkehren.«
    Greg sah mich mit einem sehr traurigen Blick aus seinen dunklen Augen an. Im schummrigen Licht meiner kleinen Küche war seine Schönheit geradezu betörend. Auf verquere Art war ich froh, dass meine Sturheit ihn dazu gebracht hatte, mich zu besuchen, und er mir nun direkt gegenübersaß, wie ein altersloser Elfenprinz, elegant und traurig. Ach Gott, wie ich mich für diese Kleinmädchenfantasie hasste.
    »Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest«, sagte ich.
    Er blinzelte, verblüfft ob meiner Förmlichkeit, und erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. »Selbstverständlich. Vielen Dank für den Kaffee.«
    Ich brachte ihn noch zur Tür. Es war schon dunkel, und der Mond tauchte meinen Vorgartenrasen in seinen silbernen Schein. An der Veranda leuchteten die weißen Hibiskusblüten wie ein Sternhaufen vor dem dunklen Gesträuch.
    Ich sah zu, wie Greg die drei Stufen der Eingangstreppe hinabging.
    »Greg?«
    »Ja?« Er wandte sich um. Seine Magie wallte um ihn wie ein Umhang.
    »Nichts.« Ich schloss die Tür.
    Das ist meine letzte Erinnerung an ihn: vor dem mondbeschienenen Rasen und in seine Magie gehüllt.
    Oh Gott.
    Ich schlang die Arme um mich, wollte weinen. Doch die Tränen kamen nicht. Mein Mund war wie ausgetrocknet. Die letzte Verbindung zu meiner Familie war gekappt. Jetzt war niemand mehr übrig. Ich hatte keine Mutter und keinen Vater und jetzt auch keinen Greg mehr. Ich biss die Zähne zusammen und ging packen.

Kapitel 2
    D ie Magie war wiedergekehrt, während ich das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher