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Stadt aus Glas

Titel: Stadt aus Glas
Autoren: Paul Auster
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wollte wissen, ob Gott eine Sprache habe. Fragen Sie mich nicht, was das bedeuten soll. Ich erzähle es Ihnen nur, weil ich die Wörter kenne. Der Vater dachte, ein Kind könnte sie sprechen, wenn das Kind keine Menschen sah. Aber was für ein Kind gab es da? Ah. Jetzt fangen Sie an zu verstehen. Man brauchte nicht erst eins zu kaufen. Natürlich kannte Peter schon einige Menschenwörter. Dagegen war nichts zu machen. Aber der Vater dachte, vielleicht vergißt Peter sie. Nach einer Weile. Deshalb gab es so viel Klatsch, Klatsch, Klatsch. Jedesmal, wenn Peter ein Wort sagte, gab ihm sein Vater ein Klatsch. Zuletzt lernte Peter, nichts zu sagen. Jajaja. Danke.
    Peter behielt die Wörter in seinem Innern. All diese Tage und Monate und Jahre. Dort in der Dunkelheit, der kleine Peter ganz allein, und die Wörter lärmten in seinem Kopf und leisteten ihm Gesellschaft. Deshalb arbeitet sein Mund nicht richtig. Armer Peter. Huhu! So sind seine Tränen. Der kleine Junge, der nie erwachsen werden kann. Peter kann jetzt wie Menschen sprechen, aber er hat noch die anderen Wörter in seinem Kopf. Sie sind Gottes Sprache, und niemand sonst kann sie sprechen. Sie können nicht übersetzt werden. Deshalb lebt Peter so nahe bei Gott. Deshalb ist er ein berühmter Dichter.
    Alles ist jetzt so gut für mich. Ich kann tun, was ich will.
    Jederzeit, überall. Ich habe sogar eine Frau. Sie können es sehen. Ich habe sie schon erwähnt. Vielleicht haben Sie sie sogar kennengelernt. Sie ist schön, nicht wahr? Ihr Name ist Virginia. Das ist nicht ihr richtiger Name. Aber das spielt keine Rolle. Für mich.
    Sooft ich darum bitte, besorgt mir meine Frau ein Mädchen. Es sind Huren. Ich stecke meinen Wurm in sie hinein, und sie stöhnen. Es waren schon so viele da. Haha. Sie kommen hier herauf, und ich ficke sie. Es tut gut zu ficken. Virginia gibt ihnen Geld, und alle sind zufrieden. Darauf können Sie Gift nehmen. Haha.
    Arme Virginia. Sie mag nicht ficken. Das heißt, mit mir. Vielleicht fickt sie mit einem anderen. Wer kann das sagen? Ich weiß nichts davon. Es ist egal. Aber wenn Sie nett zu Virginia sind, dürfen Sie sie vielleicht ficken. Das würde mich glücklich machen. Ihretwegen. Danke. Also. Es gibt so viele Dinge. Ich versuche, sie Ihnen zu erzählen. Ich weiß, daß nicht alles richtig ist in meinem Kopf. Und das ist wahr, ja, und ich sage aus meinem eigenen freien Willen, daß ich manchmal einfach schreie und schreie. Aus keinem guten Grund. Als ob es einen Grund geben müßte. Aber aus keinem, den ich sehen kann. Oder sonst jemand. Nein. Und dann gibt es die Zeiten, in denen ich nichts sage. Tagelang ununterbrochen. Nichts, nichts, nichts. Ich vergesse, wie ich die Wörter aus meinem Mund kommen lassen soll. Dann fällt es mir schwer, mich zu bewegen. Ja, ja. Oder auch nur zu sehen. Dann werde ich Mr. Traurig. Ich bin immer noch gern im Dunkeln. Wenigstens manchmal. Es tut mir gut, glaube ich. Im Dunkeln spreche ich Gottes Sprache, und niemand kann mich hören. Seien Sie bitte nicht ungehalten. Ich kann nichts dagegen tun.
    Das beste von allem ist die Luft. Ja. Und nach und nach habe ich gelernt, in ihr zu leben. Die Luft und das Licht, ja, das auch, das Licht, das auf alle Dinge scheint und sie hinstellt, damit meine Augen sie sehen. Da ist die Luft und das Licht, und das ist das beste von allem. Verzeihen Sie. Die Luft und das Licht. Ja. Bei schönem Wetter sitze ich gern am offenen Fenster. Manchmal sehe ich hinaus und beobachte die Dinge unter mir. Die Straße und all die Menschen, die Hunde und Autos, die Ziegel des Gebäudes auf der anderen Straßenseite. Und dann gibt es Zeiten, da schließe ich die Augen und sitze einfach da, der Wind bläst mir ins Gesicht, und das Licht ist in der Luft, ganz um mich herum und kurz vor meinen Augen, und die Welt ist ganz rot, schön rot drinnen in meinen Augen, während die Sonne auf mich und meine Augen scheint. Es ist wahr, daß ich selten ausgehe. Es fällt mir schwer, und man kann mir nicht immer trauen. Manchmal schreie ich. Seien Sie nicht böse auf mich, bitte. Ich kann nichts dagegen tun. Virginia sagt, ich muß lernen, mich in der Öffentlichkeit zu benehmen. Aber manchmal kann ich mir nicht helfen. Die Schreie kommen einfach aus mir heraus. Aber ich gehe wirklich gern in den Park. Da sind die Bäume und die Luft und das Licht. Es ist etwas Gutes in alldem, nicht wahr? Ja. Nach und nach werde ich besser da drinnen in mir. Ich kann es fühlen. Auch Dr. Wyshnegradsky sagt es.
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