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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos
Autoren: Manuela Martini
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aufsetzte.
    Was sah er eben in ihrem Blick? Empfand auch er diese Angst, alles verloren zu haben, und mit einem Fremden zusammen zu leben?
    Er schaltete sein gutgelauntes , siegesgewisses Lächeln an, wie er es gegenüber Geschäftskunden tat, deren Aufträge er nicht verlieren wollte. Sie lächelte zurück. Welche Lügen! Welche Feigheit!
    „Hallo Liebling!“ Er beugte sich in jahrelang einstudierter Bewegung zu ihr über die Rückenlehne hinunter, und sie hielt ihm ihre Wange hin – schon lange nicht mehr den Mund. Die Begrüßung war zu einem inhaltslosen Ritual verkommen, einer höflichen Pflichterfüllung.
    „Wie war’s in Broome?“, fragte sie.
    „Gut, alles bestens.“ Er drehte sich um, ein neues Lächeln im Gesicht. Nicht mehr ganz so strahlend, ein wenig schimmerte etwas Wahres darunter hervor, doch bevor es durch die Maske dringen konnte, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Barbecue zu. „Ich hab’ ganz vergessen, eine neue Gasflasche zu bestellen. Hoffentlich geht sie nicht mitten beim Grillen aus.“
    „ Dann warst du also erfolgreich?“ So schnell wollte sie ihn nicht davon kommen lassen.
    „Ja, ja. Sei mir nicht böse, ich bin etwas erledigt.“
    In diesem Moment empfand sie nur noch Verachtung – und Hass.
    Wie konnte er sie nur so anlügen! Sie kämpfte gegen Tränen der Wut. Nein, diese Blöße, vor ihm zu weinen, ihn anzuschreien, würde sie sich nicht geben.
    Sie schlug ihr Buch auf und sagte beiläufig:
    „Reicht das Gas? Meine Eltern kommen heute zum Dinner.“
    „Schon wieder?“ Sein Lächeln war verschwunden.
    Sie legte das Buch auf den Schoß und sah ihm voll in die Augen.
    „Das letzte Mal waren sie vor zwei Wochen da.“
    Er ließ die Schultern fallen. „Na, bitte.“
    „Aber zwei Wochen ist doch nicht vorgestern.“
    Wie gierig wir uns auf ein Streitthema stürzen, dachte sie.
    „Aber auch nicht ewig her, oder? Du weißt genau, dass ich diese Familientreffen nicht besonders mag.“ Er hatte endlich die Reisetasche abgestellt. „Außerdem hättest du mir das ruhig früher sagen können!“
    S ie lächelte. Jetzt rächte sie sich für die einsame Nacht, für die Täuschung, seine Lügen: „Du hast dich ja nicht mehr gemeldet.“
    „Du hast doch selbst gesagt, dass ich dich nicht noch einmal anrufen muss.“
    „Ach – muss!“
    „Hör’ auf, Alison! Du legst jedes Wort auf die Goldwaage!“
    „ Und du verrätst dich selbst!“
    Sekunden spannungsvoller Stille. Mein Gott, dachte Alison, warum bin ich so weit gegangen?
    „Am besten, du sagst deinen Eltern ab“, sagte er k ühl.
    „Jetzt, eine Stunde vorher? Du weißt genau, dass mein Vater für so etwas überhaupt kein Verständnis hat!“
    „Dein Vater? Na und. Das ist mein Haus.“
    „Zufällig arbeitest du in der Firma meines Vaters. Und dass alles hier …“, seine Demütigung auskostend beschrieb ihr Arm einen weiten Bogen über das gesamte Grundstück.
    „Jetzt pass gut auf, was du sagst!“ Er reckte sein Kinn. „Ich schufte jeden Tag der Woche in dieser verdammten Firma, muss mir die Großkotzigkeit deines Vaters gefallen lassen …“
    „Du kannst ja kündigen, Matthew!“ Und dich scheiden lassen, wollte sie hinzufügen, schreckte doch davor zurück. Sie starrten sich an bis er die Schultern zuckte und zur Küchentür ging, die ins Haus führte.
    „Matthew?“
    Er blieb unwillig stehen. Sie sah ihn an. Sah in seine braunen Augen, betrachtete sein kurzes geschnittenes, volles Haar, seine markanten, schottischen Züge, in die sie sich gleich am Anfang verliebt hatte.
    Jetzt, jetzt wäre der Moment. Ich weiß es: du hast eine Geliebte. Du kannst es dir ersparen, es abzustreiten. Das, genau das, hätte sie in diesem Augenblick sagen müssen. Doch sie sagte:
    „Liebst du mich eigentlich noch?“
    Sie wollte ihn wieder lügen sehen. Sie wollte den letzten Zweifel an Christines Beobachtung ausschließen. Wie angestrengt sein Lächeln war.
    „ Natürlich. Habe ich dir das nicht erst gestern am Telefon gesagt?“
    „Matthew?“
    Er holte Luft, zeigte, wie ihm ihre Fragerei auf die Nerven ging.
    Eine letzte Anstrengung: „Würdest du mir sagen wenn …“
    „Was denn?“ Seine Freundlichkeit war geheuchelt. „Sag’ schon, Alison, ich möchte unter die Dusche!“ Er begann sein weißes Hemd aufzuknöpfen.
    „Würdest du mir sagen, wenn …“ sie brach ab, er musste in diesem Moment wissen, was sie sagen wollte. Er sah sie an, bereit sofort alles abzustreiten, aber war da nicht auch eine Spur Angst in
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