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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff
Autoren: Stephen King
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gesagt?« bellte Ordner los. Er klang erschrocken, aus dem Gleichgewicht geworfen.
    »Jemand aus Ihrer Organisation«, log er fröhlich. »Jemand, der Sie nicht ausstehen kann. Jemand, der die Kugel noch gerade rechtzeitig vor der nächsten Aufsichtsratssitzung ins Rollen bringen könnte.«
    »Wer?«
    »Wiederhören, Steve. Denken Sie über Vinnie Mason nach, und ich werde mir darüber Gedanken machen, mit wem ich als nächstes spreche - oder auch nicht.«
    »Verdammt noch mal, hängen Sie nicht einfach ein! Hören Sie …«
    Er legte auf und grinste. Dann hatte also selbst Steve Ordner seinen sprichwörtlichen Dreck am Stecken. An wen erinnerte ihn dieser Kerl eigentlich? Stahlkugeln. Geklaute Erdbeereiscreme. Herman Wouk. Captain Queeg. Ja genau, der war’s. Humphrey Bogart hatte ihn in dem Film gespielt. Er lachte laut heraus und sang:
    »Wir brauchen alle jemanden zum Aus-Queeg-en, Und wenn du Lust hast, dann Queeg dich doch einfach bei mir aus.«
    Ja, ja, es stimmt, ich bin verrückt, dachte er und lachte weiter.
    Aber das scheint gewisse Vorteile zu haben. Ihm kam der Gedanke, daß das beste Anzeichen für Verrücktheit wohl ein Mann ist, der ganz allein in einem leeren Haus an einer Straße voller leerer Häuser steht und in die tödliche Stille hineinlacht. Aber der Gedanke konnte seine gute Laune nicht trüben. Er lachte sogar noch lauter, stand neben dem Telefon, schüttelte den Kopf und grinste.

19. Januar 1974
    Nach dem Dunkelwerden ging er in die Garage und holte die Gewehre ins Haus. Vorsichtig lud er die Magnum, nachdem er die Anleitung sorgfältig durchgelesen und die Pistole ein paarmal ohne Ladung abgeschossen hatte. Die Rolling Stones dröhnten laut aus der Stereoanlage, sie besangen den Midnight Rambler. Er konnte es einfach nicht fassen, wie toll er diese Platte fand. Schon kam er sich selbst wie so ein Mitternachtswanderer vor, Barton George Dawes, nächtlicher Herumtreiber, Besuche nur nach Ver-einbarung.
    Die 460 Weatherbee faßte acht Patronen, die so groß wirkten, als würden sie in eine mittlere Haubitze passen.
    Nachdem er das Gewehr geladen hatte, betrachtete er es neugierig und fragte sich, ob es tatsächlich so gewaltig schoß, wie Dirty Harry Swinnerton behauptet hatte. Er beschloß, ganz einfach hinauszugehen und es auszuprobieren. Wer wohnte noch an der Crestallen Street, der die Polizei von nächtlichen Gewehrschüssen informieren würde?
    Er zog sich seine Jacke über und stand schon an der Hintertür in der Küche, als er noch einmal umkehrte und sich ein kleines Sofakissen aus dem Wohnzimmer holte. Dann ging er nach draußen und schaltete die 200-Watt-Gartenbeleuchtung ein, die Mary und er im Sommer bei ihren Grillpartys immer benutzt hatten. Hier draußen lag der Schnee genau so, wie er ihn sich vor einer Woche vorgestellt hatte - unberührt, vollkommen jungfräulich. Kein dreckiger Fuß hatte ihn betreten. In den letzten Jahren hatte Don Upslingers Sohn Kenny seinen Hinterhof öfter mal als Abkürzung zu seinem Freund Ronny benutzt. Oder Mary hatte etwas auf der Wäscheleine aufgehängt (meist unaussprechliche Dinge), die er von der Hausecke zur Garage gespannt hatte. Zumindest an Tagen, die so warm waren, daß die Sachen nicht gefroren. Er selbst hatte immer den überdach-ten Durchgang zur Garage benutzt. Diese seltsame Unberührtheit traf ihn wie ein Schock - seit dem ersten Schneefall Ende November hatte niemand seinen Garten betreten.
    So wie es aussah, nicht mal ein Hund.
    Er spürte plötzlich ein verrücktes Verlangen, in die Mitte seines Gartens hinauszurennen, zu der Stelle, auf der sie im Sommer immer ihren Holzkohlengrill aufgestellt hatten, und einen Schneemann zu bauen.
    Statt dessen klemmte er sich das Kissen gegen die rechte Schulter, hielt es einen Augenblick mit dem Kinn fest, und preßte dann den Gewehrkolben der Weatherbee dagegen.
    Mit dem rechten Auge spähte er durch das Zielfernrohr, das linke hielt er fest geschlossen und versuchte, sich an die Ratschläge zu erinnern, welche die Schauspieler sich immer in den Kriegsfilmen gaben, kurz bevor die Marinesoldaten den Strand stürmten. Meistens war es ein hartgesottener Kriegsveteran, zum Beispiel Richard Widmark, der einem grünen Anfänger - Martin Milner vielleicht - sagte: Du darfst den Ab-zugshahn nicht verziehen, mein Sohn - ganz langsam DRÜCKEN.
    Na gut, Fred, jetzt wollen wir mal sehen, ob ich meine Garage treffen kann.
    Er drückte auf den Abzug.
    Das Gewehr knallte nicht los. Es gab eine
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