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Sprengstoff

Sprengstoff

Titel: Sprengstoff
Autoren: Stephen King
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betete zu Gott, daß er dem Nachrichtenmann, Albert, nichts gesagt hatte, das man ihm als tiefsinnig auslegen konnte. Auf dieser Welt gab es keinen Platz, an dem man seinen Standpunkt wirklich vertreten konnte. Nehmen wir zum Beispiel Johnny Walker, der bei einem sinnlosen Autounfall ums Leben gekommen war. Wozu war er gestorben?
    Damit die Wäsche rechtzeitig ausgeliefert wurde? Oder diese Frau im Supermarkt. Das, was man am Ende herauskriegte, lohnte nie den Einsatz.
    Er schaltete die Stereoanlage ein, überrascht, daß sie noch funktionierte. Die Rolling-Stones-Platte lag immer noch auf dem Plattenteller. Er wollte die Nadel vor dem letzten Lied auflegen, traf aber das erste Mal daneben, als eine Kugel in die Decke über dem Fernseher einschlug.
    Als er sie richtig aufgesetzt hatte und die letzten Akkorde von ›Monkey Man‹ im Nichts verklangen, lief er zu seinem umgekippten Sessel zurück und warf die Weatherbee aus dem Fenster. Dann hob er die Magnum auf und warf sie hinterher. Leb wohl, Nick Adams.
    »Du kannst nicht alles kriegen, was du dir wünschst«, sangen die Rolling Stones, und er wußte, wie wahr das war.
    Aber das hielt einen nicht vom Wünschen ab. Eine Tränengasbombe flog im Bogen durchs Fenster und explodierte.
    »Aber wenn du es versuchst, dann findest du vielleicht heraus, daß du das kriegst, was du brauchst.«
    Na gut, Fred, jetzt wollen wir mal sehen, wie das geht. Er griff nach der roten Krokodilklemme. Jetzt werden wir sehen, ob ich das kriege, was ich brauche.
    »In Ordnung«, murmelte er laut und klemmte die rote Klammer am Negativpol fest.
    Er schloß die Augen, und sein letzter Gedanke auf dieser Welt war, daß die Explosion nicht um ihn herum sondern in ihm selber stattfand, und obwohl sie verheerende Auswir-kungen hatte, war sie nicht größer als eine mittelgroße Walnuß.
    Dann wurde alles weiß.

EPILOG
    Das WHLM-Nachrichtenteam gewann für seine fünfminütige Berichterstattung über - wie sie es nannten - ›Dawes letzte Aussage‹ in den Abendnachrichten und für eine halbstündige Dokumentation, die drei Wochen später gesendet wurde, den Pulitzer-Preis. Die Dokumentation hieß ›Straßenbau‹ und befaßte sich mit der Notwendigkeit - bezie-hungsweise der Überflüssigkeit - der 784-Autobahn. Das Team machte vor allem darauf aufmerksam, daß die Gründe für den Ausbau weder mit der Erweiterung des Straßennetzes noch mit der Verkehrsberuhigung zu tun hatten und daß auch sonst keine praktischen Absichten dahinterstünden.
    Die Stadtverwaltung mußte eine bestimmte Anzahl von Autobahnkilometern pro Jahr bauen, um die vom Staat dafür be-willigten Gelder zu verbrauchen. Andernfalls würde sie alle öffentlichen Zuwendungen für den Straßenbau verlieren.
    Also hatte die Stadt beschlossen zu bauen. Die Dokumentation wies ebenfalls darauf hin, daß die Stadt in aller Stille einen Prozeß gegen Barton George Dawes Witwe anstrengte, um von ihrem Entschädigungsgeld so viel wie möglich zu-rückzuerhalten. Aufgrund der allgemeinen Empörung in der Öffentlichkeit ließ sie die Anklage jedoch wieder fallen.
    Die Bilder von der Explosion gingen durch die Presseagenturen, und die meisten Zeitungen im Lande veröffentlichten sie. In Las Vegas sah ein junges Mädchen, daß sich vor kurzem in einer Wirtschaftsschule eingeschrieben hatte, die Bilder während der Mittagspause und fiel in Ohnmacht.
    Doch trotz der Berichterstattung in Worten und Bildern ging der Autobahnausbau weiter und wurde achtzehn Monate später, früher als geplant, beendet. Zu der Zeit hatten die meisten Menschen die ›Straßenbau‹-Dokumentation schon vergessen, und die Nachrichtenteams des Fernsehens einschließlich des Gewinners des Pulitzer-Preises, David AIbert, hatten sich anderen Stories und neuen Kreuzzügen zugewandt. Aber nur wenige der Menschen, die noch am selben Abend den Originalbericht im Fernsehen gesehen hatten, konnten ihn wirklich vergessen. Sie erinnerten sich auch dann noch daran, als die Hintergründe und Tatsachen in ihrem Gedächtnis verwischt waren.
    In den Nachrichten hatten sie zunächst ein einfaches, weißes Vorstadthaus gesehen, eine Art Farmhaus mit einer asphaltierten Auffahrt auf der rechten Seite, die zur Garage führte. In der Garage hatte nur ein Auto Platz. Das Haus sah nett aus, aber es war ein ganz gewöhnliches Haus. Man würde sich nicht danach umdrehen, wenn man an einem Sonntag zufällig daran vorbeifuhr. Auffällig war nur, daß die Scheibe des großen Fensters an der
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