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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman
Autoren: dtv
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gestorben.«
    Tränen rollten über Natalies Wangen.
    »So viele Jahre war ich eifersüchtig gewesen«, sagte Irene. »Ungeachtet meiner anderen Gefühle   – Scham, Ekel – war ich eifersüchtig darauf gewesen, dass die Sache zwischen ihnen so lange angedauert hatte. Ich liebte ihn. Auf |400| gewisse Weise liebte ich ihn immer noch. Egal, wie sehr ich ihn gleichzeitig hasste. Und das war sein Kind. Ich würde sein Kind bekommen.«
    »O Gott!«, sagte Natalie.
    »Das Kind war Lily. Deine Mutter.«
    Ein spitzer Schrei entfuhr Natalie und sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Lesley versuchte, einen Arm um sie zu legen, aber Natalie stieß sie weg.
    »Lassen Sie nur«, sagte Irene. »Lassen Sie sie in Ruhe weinen.« Sie stand langsam auf, ging wieder in ihr Atelier und ließ die beiden jüngeren Frauen allein zurück.
    Als Natalie sich beruhigt hatte, ging sie nach draußen. Nach einer kleinen Weile folgte Lesley ihr, und zusammen gingen sie schweigend zur Bucht hinunter. Dort blickten sie über den Sund nach Burray und Cairn Head.
    Als sie schließlich zum Haus zurückkehrten, dämmerte es schon. Irene war wieder in ihrem Garten und starrte in den rötlichen Himmel. Sie wirkte älter als noch eine Stunde zuvor, älter und auf bestimmte Weise ruhiger.
    »Warum jetzt?«, sagte Natalie. »Warum nach so langer Zeit?«
    Irene sah sie einen Moment an, bevor sie antwortete. »Weil es mich erstickt hat. Mehr und mehr. Ich konnte nicht mehr atmen. Ich habe es so lange hier verschlossen gehalten.« Sie schlug sich auf die Brust. »Ich musste es freilassen, bevor ich sterbe.«
    »Egal, was passiert?«
    »Ja. Egal, was passiert.«
    Wieder hatte Natalie Tränen in den Augen. »Und meine Mutter? Lily? Weiß sie es?«
    »Sie wusste es lange nicht. Aber dann, als Stella und unser Vater sie besucht haben, haben sie es ihr erzählt, glaube ich.«
    |401| »Damals, als ihr Wagen von der Straße abkam?«
    »Ja.«
    Das Licht war vollends geschwunden und es wurde schwierig, Irenes Gesichtszüge zu erkennen.

|402| 71.   INNEN – WOHNZIMMER – NACHT
    Die beiden Schwestern allein. ALMA in der Mitte des Raumes ist blass und verzweifelt, ihr Make-up ist verschmiert, sie hat offensichtlich geweint. RUBY steht am Kamin, arrogant, distanziert. Sie raucht eine Zigarette.
    Alma: Du musstest es tun, so ist es doch? Der einzige Mensch, der einzige Mann, den ich je geliebt habe und der mich geliebt hat, und du musstest ihn mir wegnehmen. So ist es doch? So ist es doch?
    Ruby sieht sie spöttisch an.
    Alma: Warum? Warum nur?
    Ruby (unbekümmert): Weil ich es konnte.

|403| 39
    Rastrick hatte auf seine reguläre düstere Kleidung verzichtet und trug stattdessen einen marineblauen Blazer und eine senffarbene Hose. Offenbar waren beide im vergangenen Jahrhundert zuletzt zum Einsatz gekommen. Ein Paar auf Hochglanz polierte braune Schnürschuhe zusammen mit einem etwas zerknitterten Hemd und einer grün-blau gestreiften Krawatte vervollständigten den Aufzug. Was immer ihn bewogen hatte, seinem üblichen Stil ausgerechnet an diesem Morgen untreu zu werden – Intuition oder bloßer Zufall   –, es bot ihm die Gelegenheit, nach Art eines Pfaus durch das Gebäude zu stolzieren, ausnahmsweise einmal mit Farbe auf den sonst fahlen Wangen und Glanz in den Augen.
    »Das hier«, verkündete er, als er die Tür zu Will Graysons Büro aufstieß, »wird den stellvertretenden Polizeipräsidenten dazu bringen, seine eigenen Worte so schnell zu verschlucken, dass es ihm seine verdammte Speiseröhre brechen wird. Damit zu drohen, mich persönlich dranzukriegen, der verdammte Mistkerl! Würde mich nicht wundern, wenn am Ende des Tages eine Flasche Scotch auf meinem Schreibtisch steht, natürlich begleitet von einem rührseligen Dankschreiben.«
    Der fortgesetzte Druck auf die Jugendlichen aus Newmarket und ihre Gesinnungsgenossen in Heanor hatte sich ausgezahlt. Um die Mittagszeit des Vortags waren sie so eifrig damit beschäftigt gewesen, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, dass einige von ihnen kaum bemerkt hatten, wie sie selbst immer tiefer in die Tinte gerieten. |404| Am frühen Morgen hatte eine Reihe von koordinierten Durchsuchungsaktionen in Cambridgeshire und im Südosten von Derbyshire zu nicht weniger als vierzehn Verhaftungen geführt, darunter die mutmaßlichen Anführer.
    »Glückwunsch, Malcolm«, sagte Will. »Gute Arbeit.«
    »Und wie läuft es bei dir so?«, fragte Rastrick.
    Will verzog das Gesicht.
    »Na dann«, sagte
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